Im Schatten des Klosters - Historischer Roman
und massiver verrammelt war als die Klosterpforte in Fehdezeiten. Es war für Ulrich nur zu ersichtlich, dass sie nicht die Ersten waren, die Bruder Antonius hierher verschleppt hatte – vermutlich aber die Ersten, die tatsächlich nicht das besaßen, was er haben wollte. Unwillkürlich suchte er den Boden nach Blutspuren oder anderen Anzeichen von Folter ab, sah aber nur, dass er vor Nässe schwamm. »Ich liebe die Vorstellung, euch beide hier drin zu wissen, wie ihr die Frage erörtert: Sollen wir ihm unseren Schatz geben, oder gehen wir morgen in den Tod? Und wenn wir ihm unseren Schatz aushändigen – wird er uns nicht trotzdem umbringen? Wer mag wohl Recht haben? Der Optimist oder der Pessimist?« Antonius lachte und winkte seine Knechte mit den Fackeln hinaus. Sofort sprang Dunkelheit aus den versteckten Winkeln des Gewölbes heran.
»Lass uns eine Fackel hier«, verlangte Jörg.
»Hähähä«, machte der Knecht mit der Armbrust. »Schieb dir ’ne Fackel in den Arsch, Großer.«
»Steck ihnen eine in die Halterung«, befahl Antonius. »Ich stelle mir gerade vor, wie sie neben ihren sonstigen Erörterungen die Fackel anstarren und darauf warten müssen, dass sie ausbrennt. Angst vor der Dunkelheit, mein Riese? Kriechen die Schatten auf deiner Seele in der Finsternis an dich heran?«
»Hähähä …«
Ulrich sah ihnen zu, wie sie die Fackel in eine Klammer zwängten; die Tür schloss sich.
»Wann dürfen wir uns die Süße holen, Herr?«, hörte Ulrich einen der beiden Knechte im Hinausgehen fragen.
»Meinetwegen gleich. Aber wenn ihr euren Spaß gehabt habt, seht zu, dass sie spurlos …«
Die Tür schlug dumpf zu und schnitt alle weiteren Gespräche ab. Sie hörten die Riegel von draußen scharren. Ulrich schluckte trocken. Er warf Jörg einen Seitenblick zu. Jörg hatte die Augen geschlossen und schien zu Stein erstarrt. Ulrich spähte zur Fackel hinüber und versuchte zu ermessen, wie lange sie noch brennen würde. Er wurde gewahr, dass irgendwo im undurchdringlich dunklen Innern des Gewölbes Wassertropfen in eine Pfütze platschten. Die Fackel gab ein knatterndes Geräusch von sich. Ihr Harzgestank gewann allmählich Oberhand über den Geruch des moosigen, kalten Kellers. Ulrich schluckte nochmals und versuchte, Worte zu finden, ohne zu wissen, was er sagen sollte. Als Jörg sich plötzlich straffte, fuhr er zusammen. Der Ritter stelzte mit seinen gefesselten Beinen zur Tür.
»Die kriegst du nicht auf«, sagte Ulrich.
Jörg versuchte zur Fackel hochzugreifen, stellte aber fest, dass der Riemen, der die Fessel zwischen seinen Knöcheln mit seinen Händen verband, zu kurz war.
»Hilf mir mal«, knurrte er.
Ulrich seufzte und patschte durchs Wasser zu Jörg. Bruder Antonius hatte ihm nur die Hände vor dem Leib zusammenbinden lassen. Er konnte sie ohne Anstrengung heben und zur Fackel hochfassen. Ein stechender Schmerz schoss ihm durch die Hände, als er sie hob – das von der Fessel gestaute Blut pochte wütend im geschwollenen Fleisch. Dann hielt er Jörg die Fackel entgegen.
»Brenn die Riemen durch«, sagte Jörg.
Ulrich hielt die Flamme an die lederne Fessel, die Jörgs Hände mit den Beinen verband. Die Riemen begannen zu schmoren und sich in der Hitze zu kräuseln. Übler Gestank stieg auf. Jörg zerrte, ohne den Riemen zerreißen zu können.
»Sie haben das Leder angefeuchtet, die Säcke«, brummte Jörg. »Mach weiter.«
Ulrich hustete und drehte das Gesicht zur Seite, als Hitze und Gestank zu stark wurden. Plötzlich schnappten Jörgs Arme nach oben, als das Lederband mit einem Ächzen riss. Jörg setzte sich auf den nassen Boden, hob die gefesselten Füße und deutete mit den Händen darauf. »Jetzt die.«
Ulrich sah Jörgs Gesicht durch das Wabern und den rußigen Rauch der Fackel. Statt des üblichen Grinsens war seine Miene finster.
»Jörg«, sagte er, »es tut mir Leid …«
»Mach weiter. Mein Hintern wird nass.«
Ulrich musterte Jörgs grimmiges Gesicht; dann beugte er sich seufzend über die zweite Fessel und brannte auch sie durch.
»Deine Hände kann ich nicht befreien«, sagte er. »Sonst verbrenne ich sie dir.«
Jörg sagte nichts.
»Jungejunge«, sagte Ulrich. »Was für ein schweigsamer Bursche.«
Er blickte auf und sah Jörg ins Gesicht. Der lächelte plötzlich schwach.
»Jungejunge«, brummte Jörg. »Was für ein schwatzhafter Mönch.« Er wandte den Kopf und schaute zur Tür. »Wir kommen hier raus«, erklärte er.
»Tut mir Leid, Jörg, dass ich
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