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Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Titel: Im Schatten des Klosters - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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dich in das alles hineingezogen habe. Ich konnte ja nicht ahnen, dass es so weit kommt.«
    »Keine Sorge. Ich weiß noch nicht wie, aber wir kommen hier raus.« Jörg nickte ihm zu, ohne zu lächeln.
    »Da bräuchte es schon ein Wunder.«
    Jörg spannte die Beinmuskeln an, und die Fessel zerriss. Jörg sprang auf, nahm Ulrich die Fackel ab und sah sich in ihrem Gefängnis um.
    »Dann muss eben ein Wunder geschehen«, sagte er.
    »Das ist der merkwürdigste Vorratskeller, den ich je gesehen habe«, sagte Jörg nach einer Weile, in der sie dem Fackellicht um verschiedene Ecken herum gefolgt und sich schließlich wieder an ihren Ausgangspunkt zurückbegeben hatten. Ulrich, der das Gefühl hatte, die Anlage wecke eine Erinnerung in ihm, die er nicht greifen konnte, legte den Kopf in den Nacken und betrachtete den Teil des Tonnengewölbes, der vom Fackellicht erhellt wurde. Lange, bleiche Moosbärte baumelten an den Stellen herab, an denen Wasser von der Decke tropfte. Die Decke war niedriger als er in der Dunkelheit zuerst angenommen hatte. Als Jörg die Fackel hochgehoben hatte, war sie oben angestoßen und hatte einen schreckerregenden Moment lang gezischt und geflackert, als würde sie erlöschen.
    »Das ist kein Vorratskeller und war nie einer«, sagte Ulrich.
    »Aber die Kerle haben uns durch eine Tür in ein Haus geführt und dann die Treppe runter«, widersprach Jörg. »Wenn das ein richtiges Verlies wäre, läge es meinetwegen unterhalb der Schöffenstube oder im Turm des Scharfrichters – auf jeden Fall in einem offiziellen Gebäude und nicht im Untergeschoss einer unbewohnten Bruchbude hinter Sankt Maria Lyskirchen.«
    »Du weißt, in welchem Stadtteil wir uns befinden?«
    »Ich bin hier heute schon rumgelaufen und hab ein paar Häuser wiedererkannt. Aber was hilft’s?«
    »Um wie viele Ecken sind wir gebogen?«
    »Bis der Weg verschüttet war?« Jörg dachte nach. »Vier, als wir von der Tür aus links gingen, und zwei nach rechts. Danach war jeweils die Decke runtergebrochen und der Weg zu Ende.«
    »Einen Vorratskeller legt man nicht wie ein halbes Labyrinth an«, bemerkte Ulrich.
    »Aber diese großen leeren Nischen alle paar Schritte …«
    »Hat man wahrscheinlich nicht zum Einlagern verwendet.« Ulrich kratzte sich unbeholfen mit den gefesselten Händen am Kopf. »Ein paar Augenblicke dachte ich, es seien Katakomben, wie die ersten Christen sie in Rom gebaut haben, als sie von den Heiden verfolgt wurden … ich habe etwas darüber gelesen, aber das hier stimmt nicht mit den Beschreibungen überein. Dennoch bin ich sicher, dass ich auch über eine Anlage wie die hier etwas gelesen habe.«
    Jörg musterte ihn argwöhnisch.
    »Du findest im Heiligen Knochen nicht mal in die Latrine, erinnerst dich aber genau daran, was du vor Jahren mal gelesen hast?«
    »Ja, so ist das leider …«
    Jörg schüttelte den Kopf. »Ich wette, dass deine Brüder dich darum beneiden.«
    Ulrich, der die Sache noch nie von diesem Blickwinkel aus betrachtet hatte, blinzelte überrascht.
    »Es hilft, wenn man weiß, wo man ist«, bemerkte Jörg. »Also streng dich an und erinnere dich an deine Bücher, vielleicht holt uns das hier raus.«
    »Ich wüsste nicht wie.«
    »Ich sehe mich noch mal um. Bleib du hier und denk nach.«
    Ulrich hörte Jörg rumoren und ab und zu fluchen, als er über irgendetwas stolperte. Mittlerweile taten ihm die Füße so weh, dass er einen feuchten Hintern diesem Dauerschmerz vorzog und sich auf den nassen Boden setzte. Er versuchte einen Fuß zu heben und so weit nach oben zu bringen, dass er die eiskalten Zehen zwischen den gefesselten Händen wärmen konnte, doch er war nicht in der Lage, weit genug nach unten zu langen, und um den Fuß noch höher zu bekommen, hätte sein Bauch kleiner sein müssen. Der letzte schwache Lichtschimmer der Fackel verschwand, als Jörg um eine weitere Ecke bog. Ulrich saß in der völligen Dunkelheit und fühlte, wie sie sich an ihn herandrängte. In der Lichtlosigkeit wurde ihm bewusst, dass er Jörgs Bemühungen für vergeblich hielt. Er war überzeugt, dass sie hier ihr Ende finden würden. Er hörte die Geräusche, mit denen Jörg versuchte, den eingestürzten Gang weiter vorn freizuräumen. Nach einem größeren Krach und einem noch größeren Fluch war es eine Weile still, dann hörte er Jörgs Schritte langsam wieder näher kommen. Wie sollte er ihm beibringen, dass alle Anstrengung vergebens war?
    Jörg stapfte um die Ecke herum. Er war nass und über und

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