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Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Titel: Im Schatten des Klosters - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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also …«, sagte Tiberius.
    Barbara öffnete den Mund, um zu antworten, aber das Zittern, das plötzlich durch den Boden lief, ließ sie stocken. Es wurde rasch stärker, und ein Dröhnen klang auf, lauter und lauter, bis es sich anhörte, als würden alle Teufel in der Hölle drunten große Felsen umherrollen. Barbara nahm instinktiv das Messer von Tiberius’ Kehle. Tiberius versuchte aufzuspringen, fiel aber mit seinen gefesselten Händen wieder in die Kissen zurück. Eine angstvolle Stimme klang vor der Kammer auf: »Patron?«
    »Merda!«, fluchte Tiberius. Er rollte sich auf den Bauch und schielte mit zusammengebissenen Zähnen zu Barbara hoch. Entsetzte Schreie aus dem Erdgeschoss klangen auf. Das Zittern nahm zu, und das Haus erbebte unter einem wuchtigen Stoß. Die hölzerne Stange, die einen der seitlichen Vorhänge hielt, sprang aus der Halterung und fiel klappernd herunter; zwei, drei andere Stangen lösten sich ebenfalls aus der Halterung. Ein dicker Mann wurde plötzlich in einer entfernteren Kammer sichtbar; er kniete vor einer der Hübschlerinnen auf dem Boden und streckte seinen weißen Hintern in die Luft. Die Hübschlerin stand über ihm, eine Peitsche in der reglosen Hand. Die Peitschenschnüre baumelten und zitterten unter dem Beben des Hauses. Auf dem Hintern des Mannes prangten rote Striemen. Beide starrten mit runden Augen in bleichen Gesichtern zu Barbara und Tiberius herüber, ohne etwas zu sagen. Dann fiel eine weitere Vorhangstange herunter und hüllte sie in den Stoff ein. Das Haus stöhnte.
    »Schneid mich los!«, keuchte Tiberius.
    Barbara schnitt die Kordel durch. Tiberius sprang auf. Ein spitzes, panisches Kreischen drang nach oben; dann schien das Haus ein langgezogenes Stöhnen auszustoßen. Aus dem Untergeschoss erklangen das laute Rauschen von Wasser und die angstvollen Schreie von Männern und Frauen, die das Wasserbecken genutzt hatten und nun daraus zu entkommen versuchten. Tiberius wischte den Vorhang beiseite, der als einziger noch in geradezu lächerlicher Weise an seiner Stange hing und ihre Kammer vom Gang trennte. Die Stange flog aus den Haken und wirbelte davon. Barbara kam auf die Beine, taumelte von der abrupten Bewegung und der Fühllosigkeit ihrer Muskeln, stolperte und prallte gegen Tiberius. Ein Knabe kauerte im Gang auf dem Boden, beide Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, und schluchzte. Das Haus zitterte nun dermaßen heftig, dass Barbaras Zähne aufeinander schlugen. Irgendwo polterte etwas Großes, Schweres zu Boden. Eine Wolke aus Spänen und Schmutz staubte aus dem Gebälk über ihnen herab. Wer in diesem Haus eine Zunge besaß, schien vor Schreck und Angst zu schreien. Ein kleiner, dürrer Kerl mit Priestertonsur kam um eine Ecke getaumelt, nackt wie der Herr ihn geschaffen hatte, sah man von den weißen Handschuhen eines Prälaten und dem goldenen Kruzifix um den Hals des Mannes ab. Was die Natur ihm an Körpergröße und Gewicht versagt hatte, hatte sie an seinem Zeugungsorgan wettgemacht, das ihm mit seiner grotesken Größe und in seinem Zustand voranzuwedeln schien. »Das jüngste Gericht, das jüngste Gericht …«, stammelte der Prälat mit blauen Lippen und irren, weit aufgerissenen Augen. Er fiel über den kauernden Jungen, kam wieder auf die Beine und stolperte in blinder Panik weiter, ohne irgendetwas um sich herum wahrzunehmen.
    »Was ist hier los?«, schrie Barbara über den Lärm.
    Tiberius fuhr herum und packte sie an den Oberarmen. Sein Gesicht war so dunkel und wild wie das eines Bären. »Der Teufel steh uns bei!«, brüllte er. »Das Wasser!«

Kapitel 34.
    D as Wasser kam.
    Ulrich spürte einen heftigen, eiskalten Windhauch, der die feinen Härchen auf seiner Tonsur aufstehen und die Fackel flackern ließ. Rinaldo schnellte von der Wand davon wie ein Grashüpfer und fiel auf den Rücken, den Haken immer noch in der Faust; am Haken waren der Ring und daran ein langes Gestänge, das dem Rost und dem Alter, vor allem aber Rinaldos plötzlichem Ruck nachgegeben und aus der Wand gekommen war. Rinaldo rollte sich beiseite, als die schwere Konstruktion auf den Boden schlug.
    Antonius fuhr herum und starrte Ulrich an. »Was hast du getan …?«, begann er. Falls er noch etwas sagte, ging es in dem triumphalen Tosen unter, mit dem das Wasser in das Gewölbe schoss.
    Einen Herzschlag lang war es nur ein Brausen; dann kreischte und splitterte die Holzkonstruktion, die zum Befüllen der Tanks gedient hatte und über Jahrhunderte hinweg, als

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