Im Schatten des Klosters - Historischer Roman
einer Kordel gemacht hatten.
»Vorsicht mit dem Messer«, krächzte Tiberius.
Barbara verringerte den Druck gegen die Kehle des Bordellwirts ein wenig und setzte sich wieder zurecht. Tiberius Kopf lag in ihrem Schoß. Von weitem sahen sie wie ein zärtliches Paar aus. Tiberius atmete auf.
»Nicht als Nutte«, sagte Tiberius. »Das ist nichts für dich.«
Barbara lachte verächtlich. Ihr Herz klopfte hart, aber langsam.
»Rom«, sagte Tiberius und schnalzte mit der Zunge. »Ich habe hier zwei oder drei Engelchen, da würde sogar ein Kardinal viel Geld zahlen, um ihnen ans Pelzchen gehen zu können. Um in Rom so ein Haus zu eröffnen, brauchst du ein paar ausgewählte Leckerbissen, um das Interesse der Pfaffen zu wecken, und einen gut gefüllten Säckel, um deine alteingesessenen Konkurrenten auf deine Seite zu bringen. Wenn ich hier weggehe, könnte ich beides mitnehmen.«
»Was hat das mit mir zu tun? Außer natürlich, dass ich mit einem Schnitt deine Pläne zunichte machen werde, wenn du Rinaldo oder mich reinzulegen versuchst …«
»Ich würde das Haus hier natürlich nicht aufgeben.«
»Vergiss es«, sagte Barbara.
»Wir würden einen ehrlichen Partnerschaftskontrakt aufsetzen.«
»Das glaub ich dir aufs Wort.«
»In diesem Gewerbe kannst du die Weiber und musst du die Kunden anlügen«, sagte er. »Unter Partnern jedoch gilt Ehrlichkeit.«
»Ich habe keine Lust dazu«, erklärte Barbara und drückte das Messer wieder fester gegen Tiberius’ Hals.
»Komm schon, Kleine. Du hast mehr Mumm als all die Kerle zusammen, die hier einen wegstecken. Ich kann die Menschen einschätzen.«
»Nimm Rinaldo.«
Tiberius lachte vorsichtig. »Der taugt nicht dafür. Sein Herz wird nie hart genug sein.«
»Und meines wäre hart genug?«
»Du hättest die Fähigkeit, es hart genug werden zu lassen.«
Eine Bewegung beim Vorhang ließ Barbara zusammenzucken. Eine helle Knabenstimme fragte: »Alles klar bei dir da drin, Patron?«
»O ja«, keuchte Barbara, »o ja, du Hengst, o ja, fester, mein Großer, lass nicht locker …« Sie presste Tiberius das Messer noch fester gegen die Kehle.
»’tschuldigung«, flüsterte der Knabe und schlich davon. Barbara entspannte sich. Sie sah in Tiberius’ Augen, die im rötlichen Halbdunkel der Kammer glitzerten.
»Ehrlichkeit«, sagte er. »Ich hätte dich jetzt leicht auffliegen lassen können.«
»Ehrlichkeit gegen Ehrlichkeit«, sagte Barbara. »Sieh mir in die Augen und frag dich, ob mein Herz jetzt schon hart genug ist, dass ich dir sofort die Gurgel durchgeschnitten hätte.«
Tiberius lächelte fein. »Wenn’s nicht mein Hals wäre, würde ich’s riskieren und sagen: Nein, es ist nicht hart genug. Aber da es doch um meinen Hals geht, will ich mich ausnahmsweise nicht auf mein Gefühl verlassen.«
»Dein Glück«, brummte Barbara und versuchte, ihn die Unsicherheit nicht merken zu lassen, die seine Worte plötzlich hervorgerufen hatten. Ihr Herz klopfte immer noch heftig, und sie fragte sich zunehmend besorgt, wo Rinaldo so lange blieb. Es dauerte bestimmt eine Weile, bis es ihm gelungen war, seine Gefährten zu befreien (die durch ihre Schuld in ihre missliche Lage gekommen waren!), doch dass es so lange dauerte … wie lange hockte sie nun schon mit dem seltsamen Bordellwirt hier in der Kammer, die nach Räuchereien und Gewürzen roch? Ihre Beine waren von ihrer Sitzhaltung und dem Gewicht von Tiberius’ Kopf eingeschlafen. Tiberius zog die Nase auf und schloss gemütlich die Augen, als wäre ihm selten wohler gewesen.
»Ich weiß einen Partner für dich«, sagte Barbara.
Tiberius ließ die Augen geschlossen. »Ich bin wählerisch, Kleine.«
»Wie viele von deinen Mädchen sind krank?«
»Was?«
»Na, wie vielen haben die Kerle was angehängt, das sie jetzt weiterverbreiten?«
»Keines von meinen Mädchen ist krank!«, sagte Tiberius mit einem Unterton der Empörung. Barbara verstärkte den Druck der Messerklinge. »Zwei …«, sagte Tiberius.
»Was machst du mit ihnen?«
»Bei einer merkt man’s noch nicht. Die andere liegt mir auf dem Säckel, bis ich sie kuriert habe.«
»Ich kenne jemand, der kuriert die geilen Krankheiten mit viel Erfolg.«
»Das behaupten sie alle.«
»Ja, aber mein Schwager tut es tatsächlich.«
Tiberius’ Augen gingen langsam auf, und er sah Barbara ins Gesicht. »Hm. Warum solltest du mir so etwas erzählen, wenn es nicht stimmt … Ich liege unterm Messer, nicht du.«
»Gut erkannt«, lobte Barbara.
»Dein Schwager
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