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Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Titel: Im Schatten des Klosters - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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keine Bewegung sie störte, das Becken dicht und das Wasser oben gehalten hatte. Jetzt aber, vom Öffnen der Klappen erschüttert und vom Herabstürzen des Wassers getroffen, brach sie auseinander und öffnete gähnende Schlünde, wo zuvor nur Befüllungsöffnungen gewesen waren. Das Wasser brüllte auf wie ein Tier und schoss mit voller Wucht herab.
    Etwas in Ulrich ließ ihn einen Schritt zurücktreten, die linke Hand ausstrecken, Jörg am Wams packen (Jörg hielt den Mann, der ihm das Messer an den Hals gedrückt hatte, kopfunter in einer Hand und hämmerte mit den freien Faust auf ihn ein) und mit sich zerren. Ihm blieb nur die Zeit für einen einzigen Schritt. Später pflegte er zu sagen, dass er diesen Schritt nicht selbst getan, sondern dass ein Engel des Herrn ihn gestoßen hatte … er schleifte Jörg mit sich, der seine Beute zu Boden fallen ließ, und …
    … es war das Jüngste Gericht!
    Armageddon. Doch statt Feuer kam das entgegengesetzte Element.
    Der Boden bockte und warf sie gegeneinander.
    Den Bruchteil eines Augenblicks sah Ulrich das Wasser aus der Nische schießen, eine wirbelnde Säule von der Dicke der Maueröffnung, mannshoch und ebenso breit … weiße Schaumhände, die nach vorn krallten … durcheinander wirbelnde Gischtleiber, die sich aus der Öffnung schnellten. Die Balken der Holzkonstruktion, die das Wasser vor sich hertrieb, schienen von den Sehnen eines monströsen Bogens abgeschossen und flogen der Wasserwand voran, und Ulrich sah Bruder Antonius so dastehen wie vorher, den Arm mit dem Totenschädel immer noch erhoben, und im nächsten Moment hatte das Wasser ihn verschluckt. Ein mächtiger Balken traf den Armbrustschützen mit einem Geräusch, das Ulrich über das Wüten des entfesselten Elements zu hören meinte; dann war auch er verschwunden und mit ihm die Fackel und das Licht.
    Die Wasserwand tobte in die Finsternis, traf auf die gegenüberliegende Wand. Der Boden tat einen zweiten Sprung; die Wasserwand zersplitterte, und dann waren Ulrich und Jörg eingehüllt in eine Sturmflut, die sie von den Füßen riss und wie Spielzeug umherwarf. Ulrich spürte den groben Stoff von Jörgs Haubert zwischen den Fingern und verkrallte sich darin. Wasser schoss in seinen Mund und nahm ihm die Luft; sein Kopf stieß gegen Jörgs Schädel und sein Körper prallte gegen eine Ecke des Gangverlaufs; das Wasser strudelte sie mit sich, wirbelte sie herum, ohne dass sie den Boden berührten. Ulrichs Finger lösten sich aus ihrem Griff, aber irgendwie brachte er die zweite Hand nach vorn und verkrallte sie in Jörgs Gürtel … er wäre lieber gestorben, als den Ritter loszulassen … und das Wasser traf mit der Gewalt von tausend Katapultgeschossen auf den eingestürzten Teil des Ganges, prallte zurück, spritzte auf, türmte sich bis zur Decke des Gewölbes hoch und schlug nach hinten um.
    Die nachfolgenden Wassermassen begannen zu brodeln wie in einem Waschkessel. Ulrich, halb besinnungslos, fand sich mit einem Mal auf der Oberfläche eines schäumenden Gebräus wieder, in dem er sofort wieder unterging. Er trat wild mit den Beinen, spürte, wie seine Kutte zerriss und hatte plötzlich mehr Beinfreiheit; Jörgs Gewicht zerrte an ihm, doch das Wirbeln des Wassers half ihm, sprudelte den Ritter empor. Jörgs Augen waren vor Entsetzen aufgerissen. Er holte Luft und schlug in wilder Panik mit den Armen um sich. Eine toll gewordene Strömung zerrte Ulrich wieder unter Wasser, strudelte ihn unter Jörg hindurch und drehte sie einmal um sich selbst in einem Tanz, als wären sie Holzstöckchen, und hob sie dann wieder an die Oberfläche. Ulrich hustete und kotzte einen Wasserstrahl und konnte wieder Luft holen, und mit dem Atemzug erwachte etwas in ihm.
    Mit den Beinen, mit den Beinen, wie ein Frosch!
    … eine Fähigkeit, die er erlernt und dann sein ganzes Leben nicht mehr gebraucht hatte …
    Tritt dem Wasser in den Leib, dann wird es gefügig und trägt dich!
    … und die alles war, das ihn noch an den Mann erinnerte, der sich die Zeit genommen hatte, ihn diese Fähigkeit zu lehren.
    Heiße Sommernachmittage an einem kühlen Weiher.
    Der Geruch von Moos und aufspritzendem Wasser. Libellen, die an seinem Gesicht vorbeitanzten.
    Die geduldige Stimme seines Vaters.
    Die Arme ziehen dich nur voran; aber die Beine halten dich oben!
    Jörg mit seinem unbändigen Herumgeplansche drückte Ulrich unter Wasser. Doch bei Ulrich stellte sich keine Panik ein. Sie berührten den Fußboden, der jetzt der

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