Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)
wechselte geschäftig zwischen Herd und Tisch hin und her. Sie wuchtete den Topf mit den Bohnen auf die Tischplatte, holte die Teller vom Wandregal, betrachtete sie misstrauisch und stellte sie dann vor den Mann und das Mädchen. Heißhungrig schlang die Kleine die Bohnen und die großen Speckstücke hinunter. Der Mann aß langsam, beinahewiderwillig. Doch dann griff er noch ein zweites, ein drittes und ein viertes Mal zu. Schließlich blickte er hoch.
»Gut«, sagte er. Mehr nicht.
Mutter Forck saß ihm gegenüber und funkelte ihn angriffslustig an. »Ein Mann kann ein Kind nicht allein großziehen. Du brauchst eine Frau. Doch wer will dich schon nehmen, so versoffen und schmutzig wie du bist. Und dann dieser ungepflegte Bart! Wenn Jan dich in die Alster taucht, kann er dich auch gleich rasieren.«
Jan lachte schäbig. »Das mach ich gerne. Ich hab ein scharfes Arbeitsmesser.«
»Ich rasier mich selber.«
Herta Forck blickte in den leeren Topf. Zufrieden packte sie ihn in die Kiste zu den Putzmitteln.
»In den nächsten Tagen kommen wir wieder. Pass auf, dass es hier nicht wieder schmutzig wird.«
»Wir haben etwas vergessen, Mutter«, sagte Moritz, als sie auf der Straße waren. Er klang unzufrieden. »Wir haben vergessen, ihn nach seinen Beobachtungen zu fragen.«
»Das ist noch zu früh. Er beginnt gerade erst, uns zu vertrauen. Wenn wir ihn ordentlich füttern, wird er uns freiwillig erzählen, was er gesehen hat.«
»Wieso bist du so sicher?«, wollte Jan wissen.
»Männer sind ganz einfach gestrickt: Bei ihnen geht die Liebe durch den Magen. Da sind alle gleich.«
Als der Reinigungstrupp in die Wohnung in der Holländischen Reihe zurückkam, hatten es sich Johann Forck, Onkel Hermann und Tante Greta in der Küche gemütlich gemacht. Der Onkel hantierte ungeduldig mit einem Stapel Karten, und die Tante klapperte mit ihrem Strickzeug. Der Vater hatte sich in eine Tabakwolke eingenebelt und schien überaus zufrieden.
»Wird Zeit, dass du kommst, Jan«, sagte Hermann ungnädig, doch seine Augen blitzten vergnügt. »Die Karten glühen schon, weil ich so lange gemischt habe.«
Onkel Hermann war Vaters jüngerer Bruder. Als der Ältere hatte Johann Forck die Mitgliedschaft in der Quartiersmanns-Vereinigung, die Werkzeuge und die Kontakte zu den Kaufleuten von seinem Vater geerbt. Hermann konnte nur noch zweiter Mann im Betrieb werden. Statt jedoch unter der Fuchtel seines Bruders arbeiten zu müssen, war er lieber in die Stauerei gegangen.
Jeden Sonntag spielten die Forcks mit Hermann um einen halben Dreiling Skat. Das heißt: Johann, Hermann und Jan spielten, Moritz schaute zu und zählte in rasender Eile die Stiche auf beiden Seiten. Wenn eine der Parteien mehr als sechzig Punkte erreicht und damit gewonnen hatte, gab Moritz das Ergebnis bekannt, und das Spiel war zu Ende.
»Was meinst du, Moritz«, fragte Hermann, »mit wie viel Geld werde ich heute Abend nach Hause gehen?«
»Du wirst verlieren!«
»Du bist ein griechisches Orakel«, seufzte der Onkel, »aber leider ein Orakel, dessen Weissagungen immer zutreffen.«
Nachdem schon einiges Geld den Besitzer gewechselt und Tante Greta unwillig die Augenbrauen zusammengezogen hatte, beendeten die Männer das Spiel. Die Frauen tauschten die Neuigkeiten der letzten Zeit aus, die Männer fachsimpelten über die Arbeit im Hafen.
»Stellt euch vor«, sagte Hermann, »es gibt Überlegungen, den Hafen zu erweitern. Damit die großen Dampfschiffe direkt am Kai anlegen können.«
Johann Forck nahm die Pfeife aus dem Mund. »Wo soll der Kai gebaut werden?«
»Am Grasbrook.«
»Will der Rat der Stadt die Schiffswerften von dort vertreiben?«, fragte Jan ungläubig.
»Keine Ahnung. Aber für uns Schauerleute wäre es ein Vorteil. Dann bräuchten wir nicht immer auf die Elbe zu den Pfählen hinauszurudern.«
»Für die Ewerführer mit ihren Schuten wäre es das Ende«, warf Johann ein.
»Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten. In England sollen sie sogar schon Kräne bauen, die von Dampfmaschinen betrieben werden.«
»Wir haben auch bald einen neuen Kran«, sagte Jan. »Die Hebemaschine.«
Johann Forck wiegte nachdenklich den Kopf. »Wenn sie noch gebaut wird. Jetzt wo Elbrand tot ist.«
»Die Hebemaschine ist wichtig, und sie kommt auf jeden Fall«, brauste Hermann auf. »Der Rat hat sie genehmigt, und Elbrands Söhne werden sie bauen. Der Platz auf den Vorsetzen ist schon abgesteckt.«
Der Onkel und die Tante rüsteten zum Aufbruch. Bei der
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