Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)
ihres Mannes. »Caesar, so geht das nicht! Du hast immer noch deine Arbeitskleidung an. Damit hat man dich schon auf der Börse gesehen.«
Armer Papa, dachte Cäcilie, jetzt geht es dir an den Kragen, aber Mama hat recht.
»Die Kleidung wird doch dadurch nicht schlechter«, verteidigte sich Caesar Schröder, »dass ich sie heute Mittag bereits anhatte.«
Madame blickte verzweifelt zur Decke. »Dieser Frack ist schäbig. Warum trägst du nicht den neuen, den dir Meister Lambrecht geschneidert hat?«
»Dieser hier ist viel bequemer. Der andere spannt und kneift. Meister Lambrecht muss sich vermessen haben.«
Anna Louises Blick ruhte nachdenklich auf den beeindruckenden Rundungen ihres Gatten. »Meister Lambrecht hat richtig gemessen, du bist dicker geworden. Wir werden einen Keil in die Hose einsetzen lassen.« Sie umrundete ihren Mann. »Dieses alte Ding kannst du jedenfalls nicht tragen. Meine Freundinnen könnten glauben, ich komme mit meinem Großvater zum Dinner. Und wie du die Halsbinde angelegt hast. Alles zerknittert!« Sie zog und zerrte am Halstuch und am Kragen. »Warum machst du eine so altmodische Schleife, Caesar? Habe ich dir nicht tausend Mal erzählt, dass du das Tuch nach Byronmanier knoten sollst?«
Caesar wehrte ihre korrigierenden Hände ab. »Diesen merkwürdigen Knoten kann ich nicht. Außerdem ist es doch völlig egal, was ich anhabe. Die Männer schauen ohnehin nur auf die jungen Damen. Und die Frauen blicken auch auf die jungen Damen. Wenn ich nackt ginge, würde es niemand bemerken.«
»Caesar! Contenance, bitte. Es sind Kinder im Raum.«
Das Hausmädchen meldete, dass die Mietkutsche vorgefahren war. Man begab sich in die Diele, wo der Gärtner die Pelze für die Damen und die Capes für die Herren reichte.
Am Anwesen des Senators Albers herrschte dichtes Gedränge. Mietdroschke auf Mietdroschke rollte vor das Portal am Alsterdamm, hilfreiche Hände streckten sich den Damen entgegen, die vollauf damit beschäftigt waren, ihre bauschigen Kleider unversehrt aus den Kutschen zu bekommen. Caesar Schröder reichte Madame den Arm, Alexander und Cäcilie schritten hinter ihren Eltern über die gekieste Auffahrt. Vor dem Portal mussten die Schröders wegen des Gedränges warten.
An der Tür zum Saal beugte sich der livrierte Lohndiener Ludwig den Ankömmlingen entgegen. Man sagte leise seinen Namen, zwei Diener stießen die Doppeltür auf, und Ludwig meldete mit lauter Stimme die Neuankömmlinge. CaesarSchröder musste seinen Namen nicht nennen, man kannte und schätzte sich seit Langem. Lohndiener Ludwig verbeugte sich vor Madame. Er schien ehrlich erfreut und rief den Namen »Schröder« in den Saal.
»Den Ludwig sollten wir mieten«, flüsterte Madame, »wenn wir im nächsten Jahr das Fest unserer silbernen Hochzeit feiern.«
Herr und Frau Senator schritten auf die Schröders zu, man verbeugte sich und tauschte Höflichkeiten aus. Der Gastgeber hatte sich in einen altmodischen schwarzen Frack geworfen, seine graue Weste hatte die gleiche Farbe wie seine Haare und das Gesicht. Frau Senator war eine kleine, dünne Person mit einer spitzen Nase und schmalen Lippen. Sie trug ein hochgeschlossenes, schwarzes Kleid im veralteten Empire-Stil.
Das kann ja heiter werden, dachte Cäcilie und rümpfte die gepuderte Nase. Zuerst dieser Lohndiener in seinen hellen Kniehosen und dann noch diese unfreundlich wirkende Frau in dem schrecklichen Kleid, das nicht einmal ein Dienstmädchen an ihrem freien Tag tragen würde.
Einer von Ludwigs Dienern geleitete Familie Schröder an die Tafel, während sich die Gastgeber den nächsten Ankömmlingen zuwandten.
»Ich hoffe, dass die Sitzordnung geschickter gewählt ist als beim letzten Mal«, flüsterte Madame. »Ich möchte nicht wieder dieser unmöglichen Person, der Konsulin Hagenau, gegenübersitzen müssen.«
»Der Konsul ist schon seit einem Jahr nicht mehr in Hamburg. Außerdem fand ich Madame Hagenau überaus attraktiv.«
»Was war an der wohl attraktiv?«
»Das Dekolleté«, antwortete Caesar trocken. »Es war eine wohlgeformte Paradefläche für ihren Familienschmuck.«
Madame war mit der Sitzordnung zufrieden, auch wenn Caesar den Kaufmann Menck und dessen Gattin als blass und langweilig empfand. Alexander und Cäcilie hatten ein besseres Los gezogen. Man hatte sie zu den jungen Leuten ans Ende der Tafel gesetzt.Von dort flogen Wortfetzen und Lachen zu den steifen Gastgebern herüber, die in der Mitte der langen Tafel residierten.
Cäcilie
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