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Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Titel: Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Rath
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wieder. Madame kam mit dem Doktor herunter, dasHausmädchen eilte mit einer weiteren Wärmflasche nach oben, und der Gärtner wurde beauftragt, die Essenzen zu besorgen, die der Arzt verordnet hatte.
    Mit einem Mal fühlte sich Moritz so erschöpft, dass er sich am Pult festhalten musste. Wie aus weiter Ferne vernahm er die Stimme von Madame. »Gott sei Dank«, sagte sie, »es wird nur eine Erkältung geben.«
    Caesar Schröder winkte seinen Lehrling zu sich ins »Heiligtum«. Als Moritz das Pult losließ, stellte sich ein merkwürdiges Gefühl ein. Er hatte Probleme mit dem Gleichgewicht, alles schwankte, er schien wie auf Wolken zu gehen. Das war nicht unangenehm, nur etwas ungewohnt. Madame war ebenfalls im Büro. Sie schaute Moritz so lieb und mit glänzenden Augen an, wie es Cäcilie früher getan hatte. Hoffentlich will sie mich nicht küssen, dachte er. Plötzlich wurden seine Knie weich. Er musste sich setzen, doch das nützte nichts. Ihm wurde schlecht, seine Arme und Beine fingen gleichzeitig an zu zittern.
    Wie peinlich.
    Schon wieder lag Cäcilie im Wasser und schnappte nach Luft. Moritz beugte sich vom Ufer aus zu ihr hin, reckte sich hinunter, griff nach ihrer Hand, hielt sie fest. Doch im gleichen Augenblick kam dieser Engländer von unten aus dem Wasser und zerrte an Cäcilie. Moritz hatte sie bereits ein Stück hochgezogen, da entglitt ihm ihr Arm. Erst langsam, dann immer schneller tauchte sie hinab, das Wasser schlug über ihr zusammen.
    Mit einem Aufschrei war Moritz wach. Verwirrt blickte er sich um. Er lag im »Heiligtum« auf der Chaiselonge, zugedeckt mit einer Wolldecke. Auf dem Stuhl neben ihm saß der Kontorvorsteher. Während Moritz überlegte, wie er hierhergekommen war, erhob sich Harms und ging auf Zehenspitzen nach draußen.
    Kurz darauf kam Madame mit einem Herrn herein, der aussah wie ein Fürst mit seinen ondulierten Haaren, einem vornehmen Frack und den Spitzenmanschetten. Interessanterweise hatteder Fürst eine Klemme am Arm mit einem Igel aus Samt, auf dem viele Nadeln mit bunten Glasköpfen steckten. Madame trug Moritz auf, sich vor den Fürsten hinzustellen. Er schlug die Decke zurück, blickte an sich herunter   – und zog die Decke schnell wieder bis zum Kinn hoch.
    »Was ist los?«, fragte der Fürst.
    »Ich habe nur noch meine Unterkleider an.«
    Madame lachte herzlich. »Das Hausmädchen ist gerade dabei, deinen Anzug zu reinigen. Wenn dir dein Aufzug zu peinlich ist, werde ich Alexanders Hausanzug holen lassen.«
    Moritz nickte.
    Endlich konnte der Fürst mit der Arbeit beginnen. Er zauberte ein Maßband aus dem Ärmel und begann, Moritz zu vermessen. Die Beinlänge außen und innen, die Armlänge, die Schulterbreite. Wie aus weiter Entfernung hörte Moritz, wie der Fürst mit Madame diskutierte. »Samtkragen?«, fragte er.
    Madame Schröder nickte.
    Moritz sehnte sich wieder zurück auf die Chaiselonge, wollte sich wenigstens eine Minute hinsetzen, doch da stand bereits Meister Hinz, der Schumacher, im Raum. Den kannte Moritz, zu ihm hatte er des Öfteren die Schuhe von Caesar Schröder gebracht. Meister Hinz betrachtete kopfschüttelnd Moritz’ Schuhe, dann fing auch er an zu messen.
    Madame und der Meister waren nach unten gegangen, Harms brütete wieder über seinen Büchern, Alexander bewachte Cäcilie.
    Und Caesar Schröder? Der kam gerade ins »Heiligtum«. Moritz wollte aufspringen, doch der Patron drückte ihn auf die Chaiselonge zurück.
    »Du weißt, dass du Cäcilie das Leben gerettet hast«, sagte er.
    Moritz schüttelte den Kopf.
    »Es ist aber so. Ohne dich wäre sie ertrunken.«
    Wieder schüttelte Moritz den Kopf.
    Der Patron machte sich an dem Schrank mit den zwei Schlössern zu schaffen. Als er sich umdrehte, hielt er ein Ledersäckchen in der Hand.
    »Hier ist eine Anerkennung für geleistete Dienste.«
    Er platzierte das Säckchen neben Moritz auf das Polster. Es gab einen dunklen, metallischen Klang. Goldmünzen, vermutete Moritz, obwohl er noch nie den Klang von Golddukaten gehört hatte.
    Zum dritten Mal schüttelte er den Kopf.
    »Ich möchte das nicht annehmen. Jeder andere hätte Mademoiselle Schröder auch geholfen.«
    »Der hätte ebenfalls eine Belohnung bekommen«, sagte Caesar Schröder scharf.
    Moritz schloss die Augen. Er musste nachdenken, doch das war nicht einfach, denn alles raste wie ein Kreisel in seinem Kopf herum. So viel Geld, ein ganzes Säckchen voller Goldstücke. Seine Eltern tauchten auf, Cäcilie, schließlich Jette.

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