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Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Titel: Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Rath
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nach ihm fahndet. Er hatte sich ja auch mit Elbrand herumgestritten.«
    Das ist merkwürdig, dachte Moritz, wie hatte der so schnell von dem Mord erfahren?
    Die beiden bogen in den Jungfernstieg ein. Herren in gepflegter Kleidung nickten ihnen wohlwollend zu. Das heißt, sie nickten Moritz zu. Ältere Damen traten an ihn heran und strichen liebevoll über seinen Arm. Moritz schloss eng zu Roger auf.
    Caesar Schröder war es aufgrund seiner Kontakte gelungen, den »Unfall« Cäcilies mit dem Engländer aus der Presse herauszuhalten. Weder die »Hamburger Börsenhalle« noch eines der anderen Blätter hatten darüber berichtet. Doch der Kaufmann hatte keinen Einfluss auf die Gerüchte, die in der Stadt kursierten. Zwar wusste niemand genau, warum Mademoiselle Schröder plötzlich im Wasser lag, eine Minderheit vermutete, dass sie freiwillig aus dem Leben scheiden wollte, die Mehrheit jedoch tippte auf eine plötzliche Ohnmacht infolge eines zu eng geschnürten Mieders. So etwas kam allenthalben vor, wenn auch glücklicherweise äußerst selten in der Nähe eines Sees.
    Aber alle wussten, dass dieser mutige Commis sie mit einem beherzten Sprung vom Grunde der Alster nach oben gezerrt hatte. Auch wurde der an der Rettung beteiligte Kutscher nicht müde, die Geschichte immer weiter auszuschmücken, nicht ohne seinen eigenen Anteil daran gebührend hervorzuheben.
    Roger und Moritz wurden aufgehalten. Drei Mademoisellen, die kichernd über den Jungfernstieg flanierten, verstellten ihnen den Weg.
    »Wir hätten eine Frage an Sie«, sagte eine von ihnen.
    Moritz schluckte trocken.
    »Nur zu«, sagte Roger gönnerhaft.
    »Wir können nicht alle gleichzeitig ins Wasser springen. Welche von uns würden Sie gerne retten?«
    Roger schaute sich die netten Fräuleins genau an. Er überlegte eine Zeitlang, schien zunächst unschlüssig und machte dann einen Vorschlag. »Vielleicht springen erst einmal zwei von Ihnen. Ich kann mithelfen beim Retten, ich bin auch ein guter Schwimmer. Und die dritte retten wir dann gemeinsam.«
    Moritz empfand die Situation als überaus peinlich. Er drehte sich um und ging weg, verfolgt vom Gekicher der Mädchen.
    »Du bist noch zu jung für diese Spielchen«, sagte Roger, als er Moritz eingeholt hatte. »Wir sollten demnächst in den Wallanlagen spazieren gehen. Da gibt es weniger Leute.«
    Mit einem Mal brandete Lärm am Jungfernstieg auf. Ein Kutscher hatte einen Zusammenstoß mit einem Lastenträger verursacht. Die Schottsche Karre des Trägers war umgekippt, der darauf gestapelte Brandtorf zu Boden gefallen. Zu allem Unglück genau zwischen die zum Kauf ausgelegten Äpfel einer Vierländer Bäuerin. Die kreischte empört, der Lastenträger ging mit erhobenen Fäusten auf den Kutscher los, der Mann auf dem Bock drohte mit der Peitsche. Schnell hatte sich eine Traube von Schaulustigen versammelt. Moritz und Roger waren in der Menschenmenge eingeklemmt und wurden gegen ihren Willen zur Unfallstelle geschoben.
    »Wir müssen uns zum Gänsemarkt durchschlagen«, übertönte Roger den allgemeinen Lärm. »Pass auf, dass du nicht auf das Kleid einer Dame trittst.«
    Moritz fühlte sich plötzlich unwohl, doch es war nicht nur die Enge zwischen den vielen Menschen. Da war noch etwas anderes, gefährliches. Er wollte Roger etwas zurufen, doch es kam nur ein Krächzen aus seinem Hals, denn in diesem Augenblick starrten ihn zwei Augen an. Graue Augen, bösartig funkelnd. Moritz zog es vor Angst die Brust zusammen. Noch bevor er sich von seinem Schreck erholen konnte, war das Gesicht verschwunden, vom Pulk der Leute weitergeschoben.
    Ohne Rücksicht auf die anderen Passanten drängte sich Moritz zu Roger durch. Er hielt sich ganz eng neben ihm, doch die grauen Augen schienen ihn immer noch zu verfolgen. Wer konnte ihn so abgrundtief hassen, dass er vor dessen Blick erschauderte? Es gab eigentlich nur eine Person.
    Nach Feierabend, als die anderen bereits gegangen waren, bemühte sich Moritz mit mäßigem Erfolg, einen wichtigen Brief zu kopieren, doch er war nicht richtig bei der Sache. Immer und immer wieder zog die Situation am Jungfernstieg an ihm vorbei. Diese Augen. Es war der Elbrandmörder gewesen, da war er sich ganz sicher. Mit einem Mal war die Bedrohung ganz real und ganz nah. Moritz’ Hand zitterte, er konnte kaum noch schreiben.
    An diesem Abend kam Cäcilie das erste Mal seit langer Zeit wieder ins Kontor. Sie trug ihre Haare offen, hatte ein langes, flauschiges Hauskleid an, um den Hals trug

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