Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)
Kapitän zum Kunden zu haben. Ich gebe Ihnen die Uhr für die Hälfte.«
»Über das Glas reden wir noch«, drängte Moritz. »Nehmen Sie die Uhr.«
Gegen die beiden, die ihn zum Kauf drängten, mochte sich Michael Weinhold nicht widersetzen. Er fingerte Geld aus seinem Beutel und schob es über den Tisch.
Auf der Straße schwieg er mürrisch und ausdauernd. Moritz dagegen hüpfte neben ihm her und summte ein Lied.
»Jetzt habe ich eine Uhr, die ich nicht gebrauchen kann«, maulte Michael Weinhold. »Die ist verrostet, kaum dass wir auf See sind.«
»Wir gehen zum Neuen Wall. Dort habe ich ein Uhrengeschäft gesehen. Vielleicht haben die ein passendes Glas.«
»Vielleicht«, sagte der Steuermann widerwillig.
Das Geschäft am Neuen Wall war nicht zu übersehen. Ein großes Schild mit goldenen Lettern ragte auf die Straße hinaus, darunter hing eine riesige Taschenuhr. Etwas eingeschüchtert standen die beiden vor der schweren Eingangstür mit den vergoldeten Beschlägen. Schließlich drückte der Steuermann die Klinke herunter.
Im Inneren tickte und klingelte es von den Wänden. Moritz schwebte über den dicken Teppich, in dem er fast zu versinken drohte. Die beiden passierten mehrere gläserne Vitrinen mit goldenen und silbernen Uhren. Ein gepflegter Herr im schwarzen Gehrock kam ihnen entgegen. Er verharrte kurz, taxierte die Kunden, zwang sich zu einem Lächeln und fragte nach ihrem Begehr. Der Steuermann legte die Uhr auf den Tresen.
»Ich brauche ein neues Glas«, schnarrte er, »aber möglichst sofort. Mein Schiff geht morgen früh.«
»Sehr wohl, mein Herr. Wir werden sehen, ob wir ein Glas vorrätig haben.«
Der Verkäufer zog an einem bestickten Band, irgendwo im Hintergrund läutete eine Glocke. Kurz darauf schlurfte ein alter Mann heran. Er trug eine Schürze aus dünnem Wildleder, in einem Auge klemmte eine Lupe. Das war offensichtlich der Uhrmachermeister.
Der Mann betrachtete die Uhr eingehend. »Eine schöne Uhr und recht selten«, sagte er anerkennend. Er zückte ein kleines Werkzeug und hebelte den hinteren Deckel auf. Es waren ineinandergreifende Rädchen zu sehen, die Unruh rückte rhythmisch vor. Doch der Uhrmacher beachtete dies alles nicht, sondern schaute mit der Lupe auf die Innenseite des Deckels.
»Diese Uhr wurde zuletzt von Meister Krenz repariert«, sagt er. »Sicherlich hat der ein Ersatzglas dafür, er ist spezialisiert auf englische Uhren.«
»Woran erkennen Sie das?«, fragte der Steuermann interessiert.
»Jeder Meister signiert die Uhr, die er repariert hat, auf der Innenseite des rückwärtigen Deckels.« Der Uhrmacher legte die Taschenuhr mit einem feinen Lächeln auf ein Stück schwarzen Samt. »Kommen Sie heute Nachmittag wieder. Dann habe ich ein Glas besorgt und das Werk geölt.«
Als sie einige Stunden später das Uhrengeschäft betraten, herrschte dort eine sonderbar angespannte Stimmung. Moritzflog ein Gefühl an wie bei einem Sommergewitter kurz vor der Entladung. Die Luft knisterte geradezu, doch er konnte die Ursache nicht erkennen. Der vornehme Herr im Frack stand hinter den Vitrinen, genau wie bei ihrem ersten Besuch. Er lächelte ebenso krampfhaft wie zuvor, doch diesmal schien sein Lächeln noch bemühter zu sein. Zu dem Verkäufer hatte sich ein zweiter gesellt, der am Vormittag noch nicht da gewesen war. Der steckte in seiner Kleidung wie jemand, der nur selten einen Frack trug. Auf der linken Seite des Raums beugte sich ein Kunde über eine der Vitrinen und studierte die Auslagen. Seine Rückenansicht kam Moritz irgendwie bekannt vor.
Michael Weinholt streckte verlangend die Hand aus. »Ich möchte meine Uhr haben.«
Der Verkäufer spitzte die Lippen, legte die Fingerspitzen gegeneinander und schaute zur Decke. »Ihre Uhr?«
»Ja, zum Teufel. Die Uhr mit dem neuen Glas.«
Moritz spürte eine Bewegung im Raum, dann sagte eine Stimme hinter ihm: »Es ist nicht Ihre Uhr. Es ist die Uhr des Werftbesitzers Elbrand.«
Im gleichen Augenblick wusste Moritz, warum ihm der Mann bekannt vorgekommen war.
»Ich bin Sergeant Heißig, Offizier der Nachtwache.«
Jetzt wurde hektisches hektisch im Laden. Durch die Eingangstür drängten zwei Polizeioffizianten, gleichzeitig schoben sich zwei weitere Polizisten aus der Werkstatt in den Verkaufsraum.
Der Steuermann stellte sich breitbeinig in den Raum, verschränkte seine muskulösen Arme vor der Brust und starrte den Sergeanten böse an. »Es ist mir egal, wem die Uhr einmal gehört hat. Jetzt ist es meine.
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