Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)
Ich habe sie gekauft und von meiner Heuer bezahlt.«
»Diese Uhr ist Diebesgut. Diebesgut kann man nicht kaufen.«
»Ich habe keine Zeit für unsinnige Diskussionen. Ich muss noch heute auf mein Schiff zurück.«
Der Sergeant lächelte süffisant. »Sie werden sich wohl die Zeit nehmen, mir einige Fragen zu beantworten. Sonst müsste ich Sie festnehmen. Wegen des Besitzes von Diebesgut.«
Der Steuermann sagte nichts, doch er musterte den Sergeanten mit bösen Blicken.
»Wo waren Sie am vierundzwanzigsten Februar?«, fragte Sergeant Heißig.
Der Steuermann dachte kurz nach. »Da war ich auf der Rückreise mit der J USTINE . Wir lagen in Amsterdam.«
»Wieso können Sie sich so genau erinnern?«
»Ich hatte Geburtstag. Zwei Tage zuvor.« Michael Weinhold lächelte. »Wir hatten ein rauschendes Fest an Land. Leider ist einiges in der Schänke kaputtgegangen.«
»Können Sie beweisen, dass Sie im Ausland waren?«, fragte der Sergeant scharf.
Der Steuermann suchte in den Taschen seiner Jacke. Schließlich beförderte er ein zerknittertes Papier hervor. »Hier. Mein Abmusterungsbescheid.«
Der Sergeant studierte das Papier eingehend und gab es dann zurück. »Nun gut, damit sind Sie wohl entlastet.«
Weder der Steuermann noch Moritz konnten sich an den Namen des Altwarenhökers erinnern, doch sie erboten sich, den Sergeanten ins Gängeviertel zu führen. Besonders Michael Weinhold war ganz begierig darauf, den Händler zu stellen, denn er wollte sein Geld zurückhaben. Unter Polizeibegleitung machten sie sich auf den Weg in die Neustadt.
»Den Verbrecher werde ich mir vorknöpfen«, schimpfte der Steuermann, »der wird sein ganzes Leben lang keine Uhr mehr anfassen.«
Der Sergeant wies ernsthaft darauf hin, dass private Vergeltungsmaßnahmen auf Hamburger Stadtgebiet nicht erlaubt seien. Allerdings wäre dieser Hinweis nicht nötig gewesen, denn dasGeschäft des Altwarenhändlers war geschlossen, die hölzernen Läden vorgeklappt.
25
Seit sich der Schauermann mit der Kräuter-Anni aus dem übernächsten Hof angefreundet hatte, kam er häufiger »auf einen Sprung« vorbei, wie er es nannte. Johann Forck stand diesen Besuchen neutral gegenüber: Er war zwar nicht unfreundlich, aber auch nicht übermäßig herzlich. Jan und Mutter Forck dagegen hatten den Besucher in ihr Herz geschlossen – ein jeder auf seine Art.
Jan schnupperte jedes Mal an ihm herum. »Riecht nicht abgestanden und nicht nach Alkohol«, verkündete er dann enttäuscht.
»Vielleicht trinkt er nicht mehr und wäscht sich jetzt regelmäßig«, hatte Herta Forck eines Abends gesagt, als sie wieder allein waren.
»Vielleicht kommt er nur vorbei, wenn er nüchtern ist. Und dann wäscht er sich vorher, weil er Angst hat, dass ich es mache«, hielt Jan dagegen.
»Menschen können sich ändern«, sagte Johann Forck.
Mutter Forck schnupperte auch, aber nicht an dem Mann. Sie roch ausgiebig an dem Mädchen und schien zufrieden zu sein. Moritz kannte inzwischen auch ihren Namen, Alvine. Komischer Name, dachte er, habe ich noch nie gehört.
Gelegentlich brachte der Schauermann Fegsel mit, meist getrocknete Erbsen oder Bohnen. Er überreichte Herta Forck die kleinen Säckchen, als habe er eine Schuld abzutragen. Die Mutter nahm die Geschenke dankend an, der Vater blickte zurückhaltend.
»Fegsel ist nicht gleich Fegsel«, hatte er Moritz einmal erklärt. »Wenn zum Beispiel beim Löschen eine Stiege Pflaumen in den Laderaum zurückfällt, dann sind es Fegsel, denn mit dem Matsch kann niemand mehr etwas anfangen. Damit kann einSchauermann zum Kapitän gehen, und der gibt ihm einen Passierschein für den Zoll. Doch wenn der Schauermann unehrlich ist, tauscht er heimlich die Stiege mit den zerquetschten Pflaumen gegen eine unversehrte aus und geht mit der guten Ware nach Hause.«
»Damit kommt er doch nicht durch den Zoll!«
»Aber sicher. Dem Zoll ist es egal, ob es gute oder schlechte Ware ist. Die schauen nur auf die Menge, und die steht auf dem Passierschein.«
Herta Forck umarmte Alvine häufig, und diese ließ es sich gern gefallen. Ein Mädchen ist doch etwas ganz anderes als die Jungs, pflegte die Mutter dann zu sagen, die lassen sich ja nicht einmal mehr anfassen, geschweige denn umarmen. Sie briet Kiensche in der Pfanne für Alvine, von denen Johann Forck behauptete, dass sie die Zähne kaputt machten. Danach kämmte sie stundenlang das lange, blonde Haar des Mädchens. Männer würden das nie mit der nötigen Sorgfalt machen,
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