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Im Schatten des Kreml

Im Schatten des Kreml

Titel: Im Schatten des Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
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baumeln.
    »Lügen Sie mich nicht an, Charlie.«
    »Ich lüge nicht!« Sie schürzt die Lippen. Vor langer Zeit mag das süß ausgesehen haben, bei einer Frau mit Mitte zwanzig wirkt es kindisch.
    »Was hat er am Telefon gesagt?«
    »Ich habe nicht zugehört! Ich habe versucht, auf den Beinen zu bleiben, während er mich mitzerrte. Überall gingen Sirenen los. Die Leute schrien durcheinander. Alles war dunkel, bis auf das Feuer.«
    »Wo hat er Sie hingebracht?«
    »An die Seite des Gebäudes.«
    »Welche Seite?«
    Sie sieht mich hilflos an. »Ich weiß in dieser Stadt weder wo Norden noch wo Süden ist.«
    »Was ist dann passiert?«
    »Er telefonierte weiter, und dann haben wir gewartet, vielleicht zehn Minuten oder so. Dann gab es eine riesige Explosion. Solange man so etwas nicht selbst erlebt hat, kann man sich nicht vorstellen, wie schrecklich das ist. Als hätte mich eine riesige Hand gegen die Mauer gedrückt. Ich habe mich am Kopf verletzt.« Sie rafft die Haare etwas zusammen, um mir einen frischen, kaum sichtbaren Kratzer zu zeigen.
    »Und der Mann, der bei Ihnen war?«
    »Er lag auf dem Boden. Nicht tot, glaube ich jedenfalls nicht, aber verletzt. Ich rannte los.«
    Ich trete einen Schritt vom Bett zurück. Dass sie entführt wurde, stimmt mit dem überein, was Matthews mir erzählt hat, und mit ihrem vergeblichen Anruf bei einer der alten Nummern der amerikanischen Botschaft. Und der Mann, der zu Lachek gehörte, erklärt vielleicht, woher die Leute im AMERCO-Gebäude wussten, dass ich kommen würde – er kann sie angerufen oder angefunkt haben. Was mich zu einer Schlussfolgerung führt, zu der ich lieber nicht gelangen will. Es ist das eine, mit dem Gedanken zu spielen, die Regierung könne in eine Sache involviert sein, aber etwas ganz anderes, wenn man plötzlich eindeutige Beweise dafür hat. Wenn FSB-Einheiten des Innenministeriums für die AMERCO-Explosion verantwortlich sind, befinde ich mich auf gefährlichem Boden.
    Ich sehe die Tochter des Senators an. »Wie lange dauerte die Fahrt nach Moskau von dort, wo Sie festgehalten wurden?«
    »Zwei bis drei Stunden. Ich weiß es nicht genau.«
    Ungefähr die Entfernung zwischen Moskau und Lacheks Landsitz in Susdal. »Woher haben Sie den Anhänger?«
    Sie fasst sich an den Hals. Ihre Augen weiten sich, als sie ins Leere greift. »Er war ein Geschenk von meinem Freund. Geben Sie ihn mir wieder.«
    »Warum hat Lachek ihn Ihnen gelassen?«
    »Das hatte er nicht vor. Erst hat er ihn mir weggenommen, dann hat er ihn mir wieder umgehängt.« Sie schaudert. »Er sagte, ich solle ihn für ihn warm halten.«
    Ich strecke ihr das Handy entgegen. »Passwort?«
    »Charlie und die Zahl eins«, sagt sie widerwillig, mit einem Auge auf die Sig. Ich gebe es mit dem Daumen ein, gehe zu einem Symbol namens »Bilder & Videos« und tippe auf den Bildschirm, um die Dateien zu öffnen.
    Der erste, namenlose Ordner enthält mehrere Fotos von einem Asiaten, von dem ich annehme, dass es Ravi ist. Ein intensiver Ausdruck, der an Fanatismus grenzt, verdunkelt sein faltenloses Gesicht.
    »Ich kann Ihnen Geld besorgen, wenn Sie mich gehen lassen«, versucht sie zu verhandeln.
    Die meisten Amerikaner und, vor allem in letzter Zeit, mehr und mehr Russen glauben offenbar, es ginge immer nur darum. Vielleicht haben sie recht, und Geld ist die neue russische Religion.
    Ich öffne einen weiteren unbenannten Ordner mit Bildern von Charlie, wie sie sich auszieht, darunter auch ein dreißig Sekunden langes Video, von oben gefilmt, wie sie dem Kameramann einen bläst. Ich lasse es bis zu Ende laufen, nur für den Fall, dass sich irgendetwas von Bedeutung dahinter versteckt.
    »Macht Ihnen das Spaß?«, sagt sie verächtlich. »Perversling.«
    Ich verzichte darauf, ihr zu sagen, dass Alla jede Nacht fünf Videos dieser Art dreht, die unendlich viel besser sind. »Ravi Kho?«
    »Sagt man Ihnen nicht, wie die Leute heißen, die Sie töten, Mister... wie ist Ihr Name?«
    Ich gehe zurück zum Bildermenü. »Ich habe ihn nicht getötet.«
    »Dann war es einer Ihrer Regierungsfreunde.«
    Die diversen anderen Ordner, die »Singapur«, »Paris« und »Freundinnen« heißen, kontrolliere ich vielleicht später noch, aber zuerst öffne ich den letzten namenlosen Ordner, in dem sich ein Bild von einer Henne mit Ei befindet. Es sieht genauso aus, wie es in dem Dokument aus dem Buch unter meinem Bett beschrieben ist. Auf einem silbernen Fuß steht ein mit Perlen besetztes hell schimmerndes Ei. Es ist halb

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