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Im Schatten des Kreml

Im Schatten des Kreml

Titel: Im Schatten des Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
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nicht, dass ich über ihn rede.«
    »Über wen?«
    »Filip Lachek«, sagt er. »Das Grundstück, auf dem Ravi Khos Leiche gefunden wurde, gehört Filip Lachek.«
    Ich blättere meine Notizen um und lese die maschinengeschriebenen Dossierseiten durch. Nichts hat sich geändert. Militär, Geheimdienst, verdeckte Einsätze – Lachek ist ein tollwütiger Kremlhund an einer ziemlich langen Leine.
    »Volk?«, fragt Golko nach einer Weile.
    »Gibt es einen Grund, warum Ravi sich umgebracht haben soll?«
    »Nein, keinerlei Anmerkung, nichts. Ein einziger Schuss in den Mund mit einer 32er.«
    Ich stelle fest, dass ich, ohne es zu merken, meinen Fingernagel in eine der Kerben auf der Armlehne gebohrt habe.
    »Der Leichenbeschauer hat herausgefunden, mit was für einem Messer Dubinin getötet wurde«, fährt Golko fort.
    »Ein kinzhal. «
    Es dauert, bis er antwortet. »Ja, ein kinzhal, ein Kaukasus-Dolch. Woher wussten Sie das?«
    Weil Valja mir gesagt hat, dass Abreg Soldaten tötet. »Weil ich hellsehen kann.«
    Er schnaubt. »Schon mal einen gesehen?«
    Das habe ich, kurz bevor ich damit aufgeschnitten werden sollte, von einem Mann in Schimpansengröße, der so nah wie kaum ein anderer daran war, mich zu töten.
    Golko wartet auf eine Antwort, dann ergänzt er: »Ziemlich groß, das Ding. Wir haben außerdem Fingerabdrücke im Blut an der Kofferraumklappe des Mercedes gefunden.«
    Fingerabdrücke führen zu nichts.
    »Bisher hat keiner gepasst«, sagt er. »Hauptmann Dubinin hatte Gewebe von ausländischem Stoff unter den Fingernägeln. Damit können wir einen DNA-Abgleich machen, sobald es einen Verdächtigen gibt. Das sollte für eine Verurteilung ausreichen. Selbst Zivilgerichte lieben DNA.«
    Ein Verdächtiger hat nicht die geringste Chance, vor Gericht zu kommen. Was glaubt Golko, warum ich hier bin? »Hat der General Ihnen die Liste der Geiseln aus dem AMERCO-Gebäude gegeben?«
    »Ich habe sie vor mir liegen.«
    »Überprüfen Sie Marko Hutsul, den Vorsitzenden von Kombi-Oil.«
    »Warum?«
    »Weil ich nicht verstehe, warum tschetschenische Terroristen ihn und neun andere am Leben lassen sollten.«
    »Das würden sie nicht, wenn sie es nicht müssten.«
    »Richtig.« Vielleicht begreift Golko, worauf ich hinauswill.
    »Nein, ich meine, wahrscheinlich hatten sie nach der zweiten Explosion keine Zeit mehr. Den Berichten zufolge, die ich gesehen habe, haben Ihre Leute und eine Vympel-Antiterroreinheit das Gebäude sofort gestürmt.«
    In diesem Punkt stimme ich nicht mit Golko überein. »Wer immer sie bewacht hat, hatte Zeit genug, ein Magazin auf zehn Geiseln abzufeuern«, entgegne ich trocken. »Holen Sie mich um Mitternacht an der Ostseite des Roten Platzes ab. Wir fahren nach Wladimir und reden mit Melnik.«
    Ich lege auf, ziehe meine Jacke an und gehe die Treppe hoch. Ich glaube, die vermisste Tochter eines Senators aus den USA hat einen Anhänger, der dem russischen Volk gehört. Und womöglich weiß sie eine Antwort darauf, warum auf einmal ein paar Soldaten für etwas sterben, das in der Nähe des tschetschenischen Ortes Starye Atagi passiert ist. Also werde ich ihr jetzt einen Besuch abstatten.

18
    Das Kitaj-Gorod-Viertel östlich vom Roten Platz und nördlich der Moskwa ähnelt einem Ameisenhaufen mit seinem Gewirr von Straßen, barocken Kirchen und lebhaften Märkten. Es ist das Handelsund Finanzzentrum des alten Moskau und im Sommer überfüllt, eng und stickig, während es jetzt, mitten im Winter, völlig von Schnee und Eis bedeckt ist. Die Abgase nehmen mir fast den Atem, als ich mir meinen Weg durch die Menge bahne.
    Die Adresse, die der General mir von Charlene Thomas gegeben hat – bevor wir wussten, dass sie die Tochter eines amerikanischen Senators ist – ist ein altes, dreistöckiges Backsteinhaus in einer Straße, die diagonal vom Lubjanka-Platz abgeht. Das Gebäude steht versteckt hinter einem großen Hotel, sodass der Eingang von der Straße aus kaum zu sehen ist. Im Erdgeschoss sind eine Apotheke und ein Elektrogeschäft untergebracht, in den beiden Stockwerken darüber Wohnungen.
    Ich knacke das Haustürschloss und schlüpfe in ein enges Treppenhaus. Kicke eine blutverschmierte Spritze in eine Ecke unter einem Münztelefon, das schief an der Wand neben zwei Reihen nummerierter Briefkästen hängt. Von hier aus muss Charlie das Gespräch geführt haben, das der General zurückverfolgt hat.
    Ich gehe hoch in den ersten Stock und dann weiter durch einen Flur, der so eng ist, dass ich kaum mit

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