Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)
Diodato fort, »wie es nun weitergeht. Ich schlage Folgendes vor: Wir nehmen den Lastwagen und fahren damit so weit wir können nach Norden, um Abstand zwischen uns und den Lux Dei zu bringen. Bis Firanza sollte die Tankfüllung noch reichen, wenn mich meine Schätzungen nicht täuschen. Von dort könnten wir noch etwas weiter nach Norden gehen. Am Rand des Gebirges gibt es ein paar kleinere Städte, in denen der Lux Dei praktisch nicht existiert. Wir könnten versuchen, uns etwas Neues aufzubauen, wir alle fünf.«
»Das klingt wirklich verlockend, Papa«, erwiderte Carya, »aber du weißt, dass ich das noch nicht kann. Ich will zuerst herausfinden, was es mit diesen Koordinaten auf sich hat. Und ob sie mir helfen können, mehr über meine Vergangenheit herauszufinden.« Sie hob den Zettel hoch.
»Aber ist das denn wirklich so wichtig?«, wollte ihr Vater wissen. Offensichtlich gefiel ihm der Gedanke gar nicht, dass Carya andere Pläne hatte als er. »Du hast es doch bei deiner Mutter und mir jahrelang gut gehabt. Was glaubst du denn dort draußen zu finden? Mal ganz abgesehen davon, dass du nicht einmal mit Sicherheit sagen kannst, dass diese Zahlen irgendeinen Sinn ergeben, der nicht bloß deiner Einbildung entspringt.«
»Das stimmt schon alles. Nur musst du auch mich verstehen: Ich habe in den letzten Wochen ein paar wirklich seltsame Dinge erlebt – und damit meine ich nicht den Kampf gegen die Inquisition. Irgendetwas in mir hat sich verändert, und es verändert sich immer noch. Ich muss wissen, was es damit auf sich hat. Denn nur dann bin ich auf das vorbereitet, was vielleicht noch kommt.«
Auf der Miene ihres Vaters hielt Unwillen Einzug. »Ich werde deiner Mutter nicht eine wilde Fahrt quer über den Kontinent zumuten, nur weil du solche Flausen im Kopf hast, Carya«, verkündete er mit etwas schärferer Stimme.
»Das sollst du auch nicht«, entgegnete Carya. »Keiner von euch beiden sollte mich begleiten. Ich möchte euch nicht in Gefahr bringen – nicht schon wieder. Geht in den Norden, versteckt euch dort. Ich stoße zu euch, sobald ich das Rätsel meiner Herkunft gelüftet habe.«
»Mir gefällt das ganz und gar nicht«, brummte Edoardo Diodato. »Du bist ein junges Mädchen. Du kannst nicht einfach in der Weltgeschichte herumspazieren. Was dir da draußen alles zustoßen kann …«
»Und ich gehe trotzdem«, beharrte Carya. »Bitte versuch nicht, mich aufzuhalten, Papa. Ich möchte mich nicht im Streit von euch trennen.«
»Edoardo«, mischte sich nun Caryas Mutter ein. »Lass es gut sein. Ich bin bestimmt nicht froh darüber, dass Carya hinaus in die Welt ziehen will. Aber unsere Tochter ist erwachsen geworden. Wir müssen zulassen, dass sie ihre eigenen Entscheidungen trifft, auch wenn sie uns nicht gefallen.«
Caryas Vater seufzte. »Jonan, sagen Sie etwas dazu. Bringen Sie sie zur Vernunft.«
»Ich mische mich in diese Frage nicht ein«, antwortete Jonan abwehrend. »Ich verstehe Ihre Bedenken, ich verstehe aber auch Caryas Wunsch, die Wahrheit zu kennen. Wenn es Sie beruhigt, wiederhole ich gerne noch einmal, dass ich immer an Caryas Seite bleiben werde, ganz gleich, wohin sie geht. Sie wird nie allein sein. Und ich werde tun, was in meiner Macht steht, damit ihr dort draußen nichts zustößt.«
»Es ist schön, dass Sie das sagen, Jonan«, sagte Caryas Mutter und legte ihm freundlich lächelnd eine Hand auf den Arm. »Das beruhigt mich ein wenig.«
Caryas Vater schien dagegen noch nicht völlig überzeugt. »Carya, selbst mit unserem Einverständnis … Wie stellst du dir deine Reise vor? Du bist dir doch überhaupt nicht im Klaren darüber, wo dein Ziel liegt. Du besitzt nur diese paar Zahlen.«
»Das stimmt«, gestand Carya. »Ich brauche zunächst eine Karte und zwar eine, die weiter reicht, als diejenige, die mir Rajael hinterlassen hat. Vorhin bei der Dorfversammlung dachte ich, die Kapsel könnte mir vielleicht helfen. Leider …« Sie machte ein verlegenes Gesicht. »Leider habe ich wohl die Kontrollen falsch bedient und die Kapselsteuerung dabei zerstört. Jedenfalls knisterte es und qualmte, und die Anzeige in der Luke war auf einmal dunkel.«
»Klingt nach einem Selbstzerstörungsmechanismus«, meinte Jonan. »Bist du vielleicht auf eine Codeabfrage gestoßen und hast etwas Falsches eingegeben?«
Ihre Verlegenheit nahm noch zu. »Könnte sein, ja. Nun, jedenfalls hoffe ich jetzt darauf, dass uns die Invitros mit einer Karte aushelfen können. Wenn wir in Richtung
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