Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)
beizubringen versucht hatte.
Bei Pitlit kam dagegen natürlich nur ein Begriff aus Hooks düster vorgetragener Rede an. »Ein Supertanker …« Der Junge klang beinahe ehrfürchtig. »Und wofür ist er heute da?«
»Mittlerweile wird er von seiner Besatzung sozusagen privat betrieben und dient als schwimmendes Treibstoffdepot und als Warenumschlagplatz«, erklärte der Alte. »Sie fahren mit ihm hinunter in die Wüstenstaaten und kaufen von den dortigen Kriegsherren Öl ein. Dann kreuzen sie im Mittelmeer und bieten ihre Waren jedem an, der bereit ist, gutes Geld dafür zu bezahlen, aber nicht die Möglichkeiten besitzt, selbst im Süden einzukaufen. Mit den Vorräten an Bord dieses Schiffes könnte die Albatros jahrzehntelang fahren. Ich würde schätzen, die haben etwa fünfhundert Millionen Liter Öl an Bord, wenn die Tanks voll sind.«
In Caryas Kopf drehte sich alles. Diese Zahl sprengte ihr Vorstellungsvermögen. Sie fragte sich, in was für einer Welt die Menschen einst nur gelebt hatten.
»Ahoi!«, schrie Kapitän Denning auf einmal hinter ihnen mit einer Flüstertüte den Rumpf des stählernen Giganten hinauf. »Hier ist Denning. Ich habe eine Verabredung mit Al Salayeff. Lasst mal den Kran runter, Freunde.«
Ein gutes Dutzend Meter über ihnen setzte Betriebsamkeit ein. Dann war das Jaulen einer Winde zu hören. Carya bemerkte, dass Jonan einen nachdenklichen Blick über den Tanker gleiten ließ. »Mit so einer Menge Treibstoff ließe sich die Armee einer ganzen Nation mit Kampfanzügen, Panzern und Hubschraubern ausstatten«, murmelte er. »Ich frage mich, warum bislang weder der Lux Dei noch der Mondkaiser oder sonst ein Herrscher versucht hat, das Schiff in seine Gewalt zu bringen.«
»Vielleicht haben sie es versucht«, sagte Hook. »Aber mit Geld oder Macht kann man die Besatzung der Maersk Titania nicht locken. Und in den Dienst zwingen kann man sie auch schlecht. Dazu lieben diese Leute ihre Freiheit zu sehr – und sie haben zu viele Freunde, die ihnen dabei helfen, diese Freiheit zu verteidigen.«
»Ich weiß nicht«, sagte Jonan. »Geben Sie mir einen Phantom -Hubschrauber und zwanzig Templer in voller Rüstung, und wir nehmen auch so ein Ungeheuer ein.«
Hook lachte. »Darauf würde ich nicht wetten, mein Junge. Dieser Happen dort ist ziemlich schwer zu schlucken, wie bereits einige freche Seeräuber erfahren mussten.«
»Trotzdem wundert es mich, dass überall Treibstoffmangel herrscht, wenn es doch Schiffe wie dieses gibt, die ihre Vorräte an Schmuggler und Handelskähne verkaufen.«
Ihr Begleiter zuckte mit den Schultern. »Die Welt hat früher nicht viel Sinn ergeben. Warum sollte das heute anders sein?«
Das war natürlich eine Antwort, dachte sich Carya. Aber war es auch die richtige?
Kapitel 11
D er Tankvorgang an der Maersk Titania erwies sich als problemloser, als Carya befürchtet hatte. Nachdem Kapitän Denning mit dem Kran nach oben gezogen worden war, wurde kurz darauf ein Schlauch herabgelassen, durch den eine stinkende schwarze Flüssigkeit in den Bauch der Albatros gepumpt wurde. Unterdessen starrte die Besatzung mit umklammerten Gewehren hinaus in die Dunkelheit, als erwarte sie das Schlimmste. Doch eine Stunde später waren sie bereits wieder auf dem Weg. Kein Piratenschiff hatte sich blicken lassen.
Ihre Reise führte sie südlich an den Balearen vorbei, und Carya sah auf dem Navigationsapparat des Invitro Luceno, dass sie nun bald ein Drittel ihrer Fahrt geschafft hatten. Bislang hatte es praktisch keine nennenswerten Schwierigkeiten gegeben. Das Wetter zeigte sich freundlich, und sie stießen auf keine Piraten, was entweder Dennings umsichtiger Route oder schierem Glück zu verdanken war. Ebenso wenig tauchten irgendwelche Verfolger aus den Reihen der Inquisition am Horizont auf. Der Grund dafür war zweifellos, dass Arcadion keine Seestreitkräfte unterhielt. Daher gestattete sich Carya die vorsichtige Hoffnung, dass sie Aidalons Griff nun endgültig entronnen waren.
Als sie sich schließlich der Straße von Gibral-Taar näherten, nahm die Unruhe in der Mannschaft wieder zu. Diesmal wusste Carya wenigstens, worum sich die Männer sorgten. Die Meerenge wurde von den Spaniarden kontrolliert. »Und die lassen sich für jede Passage hindurch fürstlich entlohnen«, erklärte Hook ihnen, während Carya, Pitlit und er ein kaputtes Segel flickten. »Wenn du Pech hast«, fuhr der Alte zwischen zwei Rauchkringeln aus seiner Pfeife fort, »nehmen sie dir sogar dein
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