Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)
trat er so nah an den Rand des Ruderhauses heran, dass Carya fürchtete, eine etwas kräftigere Welle könnte ihn hinunterwerfen.
»Wie sieht’s aus, Käpt’n?«, rief Hook hinter ihnen nach oben.
»Mies«, knurrte Denning. »Ich sehe zwei Schiffe da vorne am Eingang der Meerenge kreuzen. Eine Korvette und ein umgebautes Patrouillenboot. Die Flaggen kann ich nicht erkennen, aber es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn es sich nicht um Spaniarden handelt.«
»Und wie kommen wir an denen vorbei?«, fragte Jonan. »Ich hoffe doch nicht, dass Sie den Kampf suchen. In dem Fall würden Carya, Pitlit und ich gerne vorher aussteigen.«
Denning warf ihnen ein schurkisches Grinsen zu. »Ich denke nicht, dass das nötig sein wird. Wir werden den Burschen schon aus dem Weg gehen.« Er beugte sich zur Luke vor, die in die Steuerkabine führte. »Abdrehen und bis auf Widerruf Kurs nach Osten halten.«
»Erklären Sie uns, was Sie vorhaben?«, bat Carya.
»Klar, warum nicht.« Denning steckte sich das Fernrohr in den Hosenbund. Er ging in die Hocke, schwang sich über die Kante des Ruderhauses und sprang hinunter auf Deck. Selbstbewusst marschierte er auf sie zu und lehnte sich mit verschränkten Armen seitlich an die Reling. »Wir ziehen uns jetzt so weit zurück, bis wir außer Sicht sind. Wenn wir Glück haben, sind wir von den Burschen überhaupt nicht bemerkt worden. Ansonsten haben sie eben ein Schiff am Horizont gesichtet, das weitergezogen ist. Kein Grund zur Aufregung.«
»Und warum verfolgen die uns nicht?«, wollte Pitlit wissen. »Wenn es doch Piraten sind.«
»Das sind keine Piraten. Keine richtigen zumindest. Die gehören zu Skylla und Charybdis …«
»Den beiden Festungen«, fügte Carya für Jonan erklärend hinzu.
»Richtig«, sagte Denning nickend. »Den sogenannten Zollfestungen. Meist befindet sich nur ein Schiff der Spaniarden in der Meerenge. Dann kann man sich bei Nacht auch schon mal vorbeischleichen, wenn man es geschickt anstellt. Aber mit den beiden Kameraden dort wird das nix. Und die wissen das auch. Weswegen sie einen Teufel tun werden, ihre Position aufzugeben, um uns nachzujagen. Wir könnten ja Teil einer Schmugglerbande sein und die Aufgabe haben, die Spaniarden aus ihrem Loch zu locken, damit unsere Freunde danach durchschlüpfen können.«
»Also gut«, sagte Jonan. »Die Schiffe bleiben an Ort und Stelle. Aber das bedeutet doch, dass der Weg für uns versperrt ist, oder irre ich?«
Denning grinste erneut. »Absolut. Denn sobald wir außer Sichtweite sind, gebe ich den Befehl zu einem kleinen Umbau. Und danach drehen wir um – und tauchen!«
Jonan glaubte, sich verhört zu haben, und diese Annahme hielt bis zu dem Augenblick an, als Denning seinem Steuermann den Befehl gab, die Albatros zu stoppen. Der Kapitän rief die Mannschaft zusammen und richtete vom Dach des Ruderhauses aus das Wort an sie. »In Ordnung, Männer, so sieht die Lage aus: Eine Korvette und ein Patrouillenboot liegen zwischen uns und dem freien Meer jenseits von Gibral-Taar. Die Spaniarden glauben, uns auf diese Weise im Mittleren Meer einsperren zu können. Aber wir alle …«, sein Blick fiel auf den jungen Giulio, »… oder sagen wir: die meisten von uns … wissen, dass die Burschen dazu früher aufstehen müssen. Männer, ihr kennt das Vorgehen. Wir atmen einmal tief durch, halten uns dann die Nase zu und verschwinden unter der Wasseroberfläche. Alles vorbereiten für einen Tauchgang!«
Zu Jonans Überraschung zeigte sich in keiner Miene Erschrecken über diesen Befehl. Nur Giulio sah sich etwas verunsichert um. Die anderen Männer wirkten vor allem unwillig wegen der ganzen Arbeit, die nun vor ihnen lag.
Diese bestand darin, die Segel und die Takelage abzunehmen, um anschließend die beiden Mastbäume umzulegen und auseinanderzubauen. Gleichzeitig wurden alle lose auf Deck herumliegenden Gegenstände eingesammelt und im Rumpf verstaut. Am Bug brachten vier Männer schräge Metallplatten an, die der Albatros eine seltsam scharfe Nase verliehen. Ähnliche Platten wurden an den Seiten und dem Ruderhaus im Heck befestigt. Auf Jonans Frage hin erklärte Hook ihm, dass sie damit den Strömungswiderstand unter Wasser verbesserten. »Denn du musst wissen, dass in der Meerenge von Gibral-Taar eine ständige Strömung aus dem Atlantik ins Mittelmeer hinein besteht. Gegen diese müssen wir unter Wasser anfahren. Und mit einem schnittigeren Schiff klappt das besser.«
»Wie tief werden wir denn
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