Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondkaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
Vom Netzwerk:
tauchen?«, erkundigte sich Carya. Das Unbehagen in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Jonan konnte sich gut vorstellen, dass sie sich fragte, ob Denning nun genial oder verrückt war – und ob sie nicht doch besser zu Fuß nach Francia gereist wären.
    Das jedenfalls waren die Gedanken, die Jonan gegenwärtig durch den Kopf gingen.
    »Gar nicht tief«, beruhigte Hook sie. »Vielleicht zwei oder drei Meter unter die Wasseroberfläche. Tiefer können wir auch gar nicht, sonst läuft uns Wasser in den Schornstein. Und der Schornstein muss hinaus in die Luft ragen, sonst können wir den Motor der Albatros nicht betreiben.«
    »Was bringt es, zu tauchen, wenn der Schornstein noch rausschaut?«, mischte sich Pitlit ein. »Den sieht man doch auch.«
    »Aber viel, viel schlechter als ein ganzes Schiff«, antwortete Hook. »Glaubt mir: Bei Nacht und Nebel einen Schornstein zu bemerken, der durch die Fluten zieht … Dazu gehört schon eine absurde Portion Glück.«
    Jonan wünschte sich, er hätte das nicht gesagt.
    Als die Abenddämmerung einsetzte, waren die Vorbereitungen abgeschlossen. Denning rief die Mannschaft unter Deck, damit alle Bullaugen und Luken verriegelt werden konnten. Jetzt erklärten sich auch die stabilen Metalltüren im Ruderhaus und im Bughaus, über die Jonan sich zuvor gewundert hatte. Alle Zugänge zum Rumpf des Boots mussten wasserdicht sein, damit dieses Manöver gelang.
    Bevor er hineinging, ließ er einen letzten Blick über Deck schweifen. Die Albatros hatte sich auf erstaunliche Weise verändert. Aus dem Schmugglerkahn, der trotz seiner Unordnung und den zusammengeschweißten Einzelteilen irgendwie heimelig anmutete, war ein bizarres graublaues Seeungeheuer mit metallenen Rückenhöckern geworden. Wenn es mit diesem Aussehen halb versenkt durch die See trieb, mochte man es auf den ersten Blick eher für ein Stück Treibgut als für ein Fortbewegungsmittel halten, in dem sich Menschen versteckten.
    »Dürfen wir mit auf die Brücke kommen und zusehen, wie wir tauchen?«, fragte Pitlit Denning, als sie als Letzte durch die Tür des Ruderhauses traten und der Kapitän sie hinter ihnen verriegelte.
    »Ihr könnt doch auch durch euer Kabinenbullauge zusehen, wie wir tauchen«, erwiderte Denning ein wenig unwillig.
    »Aber das ist nicht das Gleiche«, quengelte der Straßenjunge. »Bittebittebittebittebitte.« Er setzte seinen besten Hundeblick auf.
    »Na schön«, brummte Denning. »Aber nichts anfassen! Ihr setzt euch in eine Ecke und schaut ruhig zu. Und wenn ich den Befehl gebe, die Brücke zu räumen, gibt es keine Widerworte, verstanden?«
    »Aye, aye, Käpt’n«, bestätigte Pitlit in einer recht passablen Imitation von Hook und salutierte dabei.
    Jonan wechselte einen Blick mit Carya und schmunzelte. Der kleine Schurke hatte den großen Schurken mittlerweile ganz gut im Griff.
    Sie begaben sich in die Steuerkabine, wo sich bereits Géant und Hook eingefunden hatten. Der tätowierte Koloss stand am Ruder, der greise Mechaniker hielt Verbindung zum Maschinenraum. Gleichzeitig überwachte er eine Kontrolltafel voll blinkender Lämpchen.
    Denning rieb sich die Hände. »Dann wollen wir mal. Kursumkehr, Géant. Zurück nach Westen.«
    »Geht klar, Käpt’n.« Géant zwang die Albatros in eine enge Kehre. Das Ruder wirkte in den Pranken des dunkelhäutigen Mannes aus Francia wie ein Kinderspielzeug. »Kurs liegt an.«
    »Hook, wie sieht es aus? Sind wir bereit zum Tauchen?«
    »Aye, aye, Käpt’n. Die Drucklufttanks sind voll. Die Tauchtanks sind klar. Alle Stationen melden geschlossene Bullaugen und Schotten.«
    »Hervorragend! Auf Schleichfahrt gehen.« Denning grinste wie ein Schneekönig und zwinkerte Jonan, Carya und Pitlit zu. »Ich liebe es, das zu sagen.«
    »Schleichfahrt, jawoll.« Hook legte einige Hebel um, und das Schiff erzitterte ein Mal. Durch das Fenster der Steuerkabine konnte Jonan sehen, wie sich der Bug leicht neigte. Wellen spülten über die Reling. Licht Gottes, bitte lass uns nicht alle ersaufen , betete er stumm.
    Eine schmale, kühle Hand suchte die seine und hielt sich an ihm fest. Er schaute zu Carya hinüber, die wie gebannt nach draußen blickte. Die Nervosität ließ sie gedankenverloren auf ihrer Unterlippe herumkauen. Beruhigend drückte Jonan ihre Hand. Ich bin da, dir wird nichts geschehen , besagte diese Geste. Er hoffte, dass ihn die Umstände nicht zum Lügner machten.
    Die Albatros sank gleichmäßig, aber unerbittlich. Erst wurde der Bug überspült,

Weitere Kostenlose Bücher