Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
mich schon ziemlich in der Zange. Das kann ich dir sagen. Wenn mir nicht jemand zu Hilfe gekommen wäre, um ihm eine ordentliche Lektion zu erteilen, weiß ich nicht, wie die Sache ausgegangen wäre.«
»Der Anwalt war dort?« Leandra ließ sich auf die Bettkante plumpsen. »Ist Walter jetzt der junge oder der alte Thursfield?«
»Der Alte. Und er ist tatsächlich hinter den Papieren her, wie ich es dir gesagt habe.« In ihrem Kulturbeutel kramte Naomi nach dem Kamm. Während sie danach suchte, spürte sie, wie ihr Gesicht zu glühen begann. Sollte sie ihr sagen, wer ihr geholfen hatte?
»Mit dem Alten wärst du doch bestimmt alleine fertig geworden, oder?« Leandra nahm das nasse Badetuch vom Bett, ging ins Bad und hängte es zum Trocknen über eine Stange. »Na ja, glücklicherweise musstest du es nicht herausfinden.«
Nachdem ihre Großmutter sich keine Sorgen machte, sagte sie ihr nicht, wie eng es wirklich gewesen war. Denn der Alte war als Panther alles andere als schwach und gebrechlich.
Leandra fixierte sie und legte den Kopf schräg. Nach einer kurzen Pause sprach sie weiter. »Hast du etwas über den Clan erfahren?«
Naomi kämmte sich das Haar, bevor sie es im Nacken zusammenband. »Nichts. Absolut nichts.«
»Und was ist mit Thursfield?« Leandra zog besorgt die Stirn in Falten. »Treibt der sich hier noch herum?«
Naomi verneinte. »Lass uns runtergehen. Den Rest erzähle ich dir später, okay?« Bekräftigend knurrte ihr Magen in einer Lautstärke, die Leandra auf die Beine springen ließ.
Die Hände in die Hüften gestemmt, stand sie vor ihr. »Na gut. Aber nach dem Frühstück will ich nicht nur ein paar weitere Brocken von dir hingeworfen bekommen. Du bist vorhin knallrot angelaufen, also gab es da noch mehr. Glaub nicht, das hätte ich nicht bemerkt.«
Naomi sah zur Decke und verdrehte die Augen. Ihre Oma trickste man nicht so leicht aus. Während des Frühstücks blieb ihr ausreichend Zeit, sich eine Geschichte auszudenken.
»Dir wird schlecht werden, bei all dem fettigen Zeug«, sagte Leandra, die kopfschüttelnd auf Naomis beladenen Teller sah.
Rührei, Speck, Würstchen, Käse, ein Brötchen und zwei Scheiben geröstetes Brot, dazu noch Tomaten. Naomi schenkte sich eine Tasse Tee ein und griff zum Besteck. »Wenn ich, wie du, die ganze Nacht geschlafen hätte, würde mir eine Grapefruit und ein Ei vorneweg vielleicht auch reichen.« Sie stopfte sich eine Gabel mit Rührei in den Mund.
Leandra knabberte an ihrem Toast. »Nachdem wir hier alleine sitzen, könntest du mir auch jetzt alles erzählen.«
Der Frühstücksraum lag noch verlassen da. Naomi sah sich um. »Und wenn Miss Marple wieder auftaucht?«
»Miss Marple?«
»Na, du weißt schon, die putzige Frau von gestern. Die sieht genauso aus und ist auch genauso neugierig.« Ein Würstchen verschwand in ihrem Mund. »Du hättest sehen sollen, wie sie mich heute Morgen gemustert hat. Vermutlich wundert sie sich jetzt noch darüber, dass sie nicht mitbekommen hat, wie ich aus dem Haus gegangen bin.«
»Bist du ja auch nicht.« Leandra tupfte sich mit der Serviette über die Mundwinkel.
»Besser, wir reden im Zimmer.« Naomi hatte kaum ausgesprochen und sich eine weitere Gabel Ei in den Mund geschoben, als die Hausherrin den Frühstücksraum betrat.
»Sie waren ja schon früh auf den Beinen«, sagte sie und kam auf ihren Tisch zu.
Naomi nickte mit vollem Mund und grinste ihre Großmutter mit hochgezogener Augenbraue an.
Zurück auf dem Zimmer, ließ sich Naomi auf das Bett fallen. »Ich platze. Warum hast du mich nur so viel essen lassen?« Dabei lächelte sie ihre Großmutter spitzbübisch an. »War ein Scherz. Wo sind die Unterlagen? Du hast sie doch gestern versteckt, bevor du zum Essen runter bist, oder?«
»Du liegst darauf.«
Naomi rollte sich zur Seite, damit Leandra an die Briefe kam, die sie unter der Matratze deponiert hatte.
Eine Minute später lagen die Umschläge auf dem Bett. »Lesen wir der Reihe nach?« Naomi suchte nach dem Kuvert mit der Nummer eins.
Ihre Großmutter nickte und setzte sich zu ihr aufs Bett.
Naomi schlug die Beine übereinander. »Willst du?« Sie hielt ihrer Großmutter den Brief hin.
Leandra schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme.
Nach einem herzhaften Seufzer riss Naomi den Umschlag auf und zog den Inhalt heraus. Sie faltete den Papierbogen auf. Nach einem prüfenden Blick zu ihrer Oma, fing sie an zu lesen.
Mein liebes Kind, irgendwie würde ich mich freuen,
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