Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
Hotel waberten Nebelschwaden. Sein Blick huschte von links nach rechts. Naomi war nicht zu sehen. Vielleicht war sie zum Wagen gegangen. Roman rannte zu seinem Pick-up. Nichts. Er rief nach ihr. Keine Antwort. Es schien, als hätte der Nebel sie verschluckt. Und wenn sie doch schon an der Bar auf ihn wartete? Auf dem Weg zurück ins Hotel rief er immer wieder nach ihr.
Zwischen den ankommenden Gästen war Naomi auch nicht zu entdecken. In ihrem grünen Kleid wäre sie zwischen der dunklen Abendgarderobe sofort aufgefallen. An der Bar standen die beiden Weingläser. Ihres unberührt, seines zur Hälfte geleert. Der Barkeeper zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf, als er ihm Naomi beschrieb. Sie war wie vom Erdboden verschluckt. Romans Herz krampfte sich zusammen. Ein unbestimmtes Gefühl verriet ihm, dass Naomi nicht freiwillig verschwunden war. Sie hätte ihn niemals ohne eine Erklärung hier stehen lassen. Mit großen Schlucken leerte er das Weinglas.
Obwohl er wusste, dass sie nicht zu Hause sein würde, trieb es ihn zu ihrem Studio. Mit überhöhter Geschwindigkeit fuhr er durch den Nebel. Sein Blick suchte die Straßen ab. Nichts. Auch nicht, als er seinen Wagen vor Naomis Apartmentblock parkte. Kein Licht.
Roman stieg aus. Er drückte auf den Klingelknopf. Keine Reaktion. Irgendwie musste er ins Haus kommen. Mit der flachen Hand presste er auf sämtliche Klingelknöpfe. Irgendjemand würde öffnen.
»Wer ist da?«, brüllte es über ihm aus einem Fenster.
Roman trat ins Licht. »Ich will zu Naomi!«
»Die ist nicht da. Scheint heute aber recht beliebt zu sein!« Ein wuscheliger Haarschopf verbarg das Gesicht des Mädchens, das sich weiter aus dem Fenster lehnte, um besser sehen zu können. »Ach, du bist´s. Wenn du willst, kannst du ja eine Nachricht hinterlassen.«
Roman nickte. »Dann lass mich herein.«
Der Türöffner summte. Roman stürmte ins Treppenhaus. Vor Naomis Tür lagen bereits Block und Kugelschreiber. Roman wählte Naomis Handynummer. Eine rockige Melodie erklang in ihrer Wohnung. Sie hatte das Handy gar nicht eingesteckt. Nachdem auch auf sein Klopfen keine Reaktion folgte, schnappte er sich den Block und schrieb in schwungvollen Worten: Ich mache mir Sorgen um dich! Melde dich, sobald du kannst, ja? Dein Handy liegt im Apartment, und keiner weiß, wo du steckst. Ich liebe dich, Roman.
Roman beschloss im Wagen auf Naomi zu warten. Die Nacht war kalt und feucht. Immer wieder ließ er den Motor an, um den Innenraum aufzuwärmen. In Gedanken ging er die letzten Tage nochmals durch. Es war eine der glücklichsten Wochen seines Lebens gewesen. Nichts war vorgefallen, was Naomis Verhalten hätte erklären können. Der Morgen graute. Die Sonne brach durch die Nebelfelder. Naomi blieb verschwunden.
*
Kais schwarzes Fell glänzte silbern im Mondlicht. Das einfallende Licht ließ deutlich die rosettenförmigen Flecken auf seinem Fell hervortreten. Sie verliefen längs über seinen Rücken. Seine Ohren waren aufgestellt; er lauschte. Außer den nächtlichen Waldgeräuschen, vernahm er nichts. Wo war Naomi nur? Sie müsste längst auf der Lichtung sein.
Vor über einer Stunde war Kai ihr zum Hotel gefolgt. Er hatte gesehen, wie sie an Romans Seite das Hotel betreten hatte. Nur kurz hatte er sie aus den Augen gelassen, um seinen Wagen auf dem Parkplatz abzustellen. Durch den Nebel war der Eingang aus seinem Sichtfeld verschwunden. Bis er an das Portal gelangte, waren vielleicht fünf Minuten vergangen. Plötzlich war Roman vor dem Hotel aufgetaucht. Er rief nach Naomi, lief zu seinem Pick-up und blieb dort ratlos stehen. Kai war sofort klar, was passiert war. In diesen Minuten musste Naomi das Hotel unbemerkt verlassen haben. Kai sprang in seinen Wagen und fuhr die Straßen bis zur Brücke ab. Dort ließ er das Fahrzeug stehen. Obwohl er die Lichtung schnell erreicht hatte, war niemand da. Er war allein gewesen; wie auch die Vollmondnächte zuvor, als er vergeblich auf Naomi gewartet hatte. Sie musste kommen.
Er duckte sich im Dunkel der Bäume dicht an den Boden und wartete in dieser Lauerstellung. Naomi würde Angst haben. Angst vor dem, was mit ihr geschah und Angst vor Kai, sollte sie ihn in seiner jetzigen Gestalt sehen. Er musste behutsam vorgehen. Kai überlegte, wie er ihr begegnen sollte. Er wusste es nicht. Warum tauchte sie nicht auf? Kai trabte noch immer geduckt am Rande der Lichtung auf und ab. Sein Bauch berührte beinahe den Boden. Seine Nervosität jagte ihn
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