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Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)

Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. J. Bidell
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voran. Naomi war dankbar für das Schweigen im Wagen. Sie setzte sich auf ihre Hände, um zu vermeiden, dass sie aus einem Impuls heraus die Wagentür aufriss und ins Freie stürzte. Ihre rechte Hand zuckte immer wieder unter ihrem Hintern. Die etwa fünf Meilen bis zum Hotel kamen Naomi vor wie eine Ewigkeit. Kaum stellte Roman den Motor ab, schnellte ihre rechte Hand zum Türöffner. Sie stieß die Tür auf, und dichter Nebel waberte ins Wageninnere. Endlich konnte sie wieder frei atmen. »Endlich«, flüsterte sie.
    »Wir müssen nicht hingehen.« Roman strich über ihren Rücken.
    Die Berührung aktivierte jede einzelne Zelle ihres Körpers. Es fühlte sich fast wie eine elektrische Spannung an, die sich jeden Moment entladen konnte. Mit einer schwungvollen Bewegung stieg sie aus. Gierig sog sie die feuchte Nachtluft ein. Ihre Nerven beruhigten sich wieder, ihre Atmung ging gleichmäßiger. »Was ist nur mit mir los?«, flüsterte sie kaum hörbar. Wieder schloss sie die Augen. Als sie sie wieder öffnete, stand Roman mit besorgtem Gesichtsausdruck vor ihr. »Lass uns reingehen, ja? Ich bin in Ordnung.«
    Roman fasste ihre Hand, drückte sie fest. »Wir müssen wirklich nicht zu dieser Veranstaltung.«
    Naomi fühlte sich wieder besser. Sie nickte nur. »Ich möchte aber.« Das wollte sie tatsächlich. Die ganze Woche hatte sie auf diesen Abend hingefiebert. Sie konnte nicht zulassen, dass ihre Panikattacke alle Pläne zunichte machte. Sie drückte den Rücken durch und ging entschlossen den beleuchteten Weg zum Hoteleingang. Roman ging schweigend neben ihr her. Jeder Schritt, mit dem sie sich dem Hotel näherte, steigerte ihre Panik. Das eindrucksvolle Portal rückte näher. Es kam ihr immer kleiner vor. Niemals würde sie hindurch passen. Der Rundbogen des Tors neigte sich in Richtung Boden, die Fassade drückte den Eingang immer mehr zusammen. Ihr Herzschlag wurde lauter, pochte gegen ihre Schläfen. Sie hörte ihr Blut rauschen. Trotzdem ging sie weiter. Roman zuliebe. Bis sie zum Schluss vor dem Hoteleingang stand, der wider erwarten Platz genug zum Eintreten bot. Sie hörte die Stimmen der anderen Gäste. Musik drang nach draußen und vermischte sich mit dem Rauschen in ihrem Kopf. Sie zwang sich, einen Schritt nach dem anderen, ins Innere der hell erleuchteten Hotelhalle hineinzugehen; der Raum erdrückte sie beinahe.
    Roman grüßte mit einem Kopfnicken eine Gruppe von Gästen an der Bar. Naomi zögerte. Sie konnte einfach nicht weitergehen. Ihre Füße schienen schwer wie Blei. Ihre Augen suchten nach einem Ausgang. Ein Pfeil zeigte den Weg zu den Toiletten an. Sie lagen direkt neben dem Hoteleingang. Die Stimmen und das Rauschen in ihrem Kopf ließen keinen klaren Gedanken zu. Sie wollte nur weg. Weg von den Leuten, weg von allem, sogar weg von Roman. Sie blieb stehen.
    Roman drehte sich zu ihr. »Ist auch wirklich alles in Ordnung?«
    Ihr Innerstes schrie, nichts sei in Ordnung. Überhaupt nichts. Doch hörte sie sich sagen, Roman solle voraus zur Bar gehen, und ihr ein Glas Weißwein bestellen; sie käme in wenigen Minuten nach. Naomi zeigte entschuldigend auf den Pfeil zu den Toiletten, drückte Roman den Trenchcoat in die Hand und eilte darauf zu. Sie blieb stehen, drehte sich zu Roman um. Er lächelte ihr zu, bevor er sich wegdrehte und auf die Bar zuging. Eine neue Gruppe Gäste betrat das Hotel, strömte auf die Bar zu und nahm Naomi dadurch die Sicht auf Roman. Sie folgte dem Pfeil zu den Toiletten. Ein schmaler Gang führte dorthin. Der Gang war zu eng. Sie passte niemals hindurch. Verzweifelt drehte sie sich nochmals zu Roman um, der an der Bar stand und ihr den Rücken zuwandte, bevor sie aus dem Hotel ins Freie stürmte.
    Ihre Füße übernahmen das Kommando. Sie liefen in eine bestimmte Richtung. Wohin? Sie wusste keine Antwort. Sie gehörten nicht mehr zu ihr; sie hatte die Kontrolle verloren.
    Schritt um Schritt fühlte sie sich freier. Neue Gerüche drangen in ihre Nase. Alles roch intensiver. Aus einem der Häuser hörte sie Geräusche. Das anfängliche Gemurmel schwoll an, bis sie einzelne Worte verstand. Es liefen die Nachrichten. Kinder stritten lautstark um einen Lastwagen. Doch wo stand das Haus?
    Der dichte Nebel lichtete sich ein wenig, als sie den Wald erreichte. Der Duft nach Pflanzen intensivierte sich, der Lärm der Umgebung wich den Geräuschen des Waldes. Sie roch die Blüten der Hartriegelsträucher gemischt mit Berberitze. Gerüche, die sie vorher kaum wahrgenommen hatte.

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