Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
damit zusammen, dass sie sich bei Vollmond in ein anderes Wesen verwandelte. Sie war schlicht und ergreifend schwanger – und fühlte sich hilflos.
Kai ging auf sie zu. »Bist du sicher?«
Naomi zuckte mit den Achseln. »Wie konnte das nur geschehen?«
»Wie? Na, sehr viele Möglichkeiten gibt es wohl nicht, oder?« Kai schloss die Augen. »Ausgerechnet jetzt.« Er stapfte an ihr vorbei, nahm ihren Arm und zog sie mit sich. Die Lichtung rief.
»Nach diesem Vollmond fliegst du nach Hause. Ist das klar? Du musst dich in Sicherheit bringen. Dich und das Kind.«
Naomi wischte sich die Tränen fort. Nach Hause. Das war alles so weit weg. Wie konnte sie einfach nach Hause gehen? »Ich werde darüber nachdenken.«
»Naomi, da gibt es nichts nachzudenken. Du packst deine Koffer und gehst, verstanden? Roman kommt hier schon zurecht. Er wird es nicht erfahren. Du gehst einfach zurück. Lass dir was einfallen. Beende diese Beziehung, bevor es noch komplizierter wird. Momentan ist es nicht notwendig, ihm irgendetwas zu erklären. Du packst einfach deine Sachen, verabschiedest dich und fertig.« Kai sah sie voller Mitleid an. »Es ist besser so. Vielleicht habt ihr in ein paar Jahren eine Chance. Hier ist es jetzt zu gefährlich.«
Naomi schwieg. Sie stolperte hinter ihm her. In ein paar Jahren? Sie würde nicht einfach aufgeben. Roman musste erfahren, dass er Vater wurde. Das Kind brauchte ihn. Sie selbst wusste am besten, wie sehr es schmerzte, ohne Vater aufzuwachsen. Im Moment wollte sie nur ihre Ruhe haben. Die Lichtung lag direkt vor ihnen, der Vollmond stand am Himmel. Naomi zog sich ohne scheu aus, kauerte sich unter die Ulme und schloss die Augen. Hier drohte keine Gefahr. Kai war paranoid. Sammy war seit Wochen verschwunden. Niemand war hier. Niemand, außer ihnen beiden.
*
Roman folgte Naomi. Zuerst hatte er sie aus den Augen verloren. Er sah sich um, lauschte auf irgendein Geräusch. Plötzlich hörte er Stimmen. Naomi und Kai. Es war mehr ein Flüstern. Verstehen konnte er nichts, aber das Gemurmel wies ihm den Weg. Was machten die beiden hier? Warum waren sie nicht auf dem Weg zum Acadia Nationalpark?
Naomi hat dich angelogen, dachte er. Mit einem Lächeln auf den Lippen hat sie dich ganz dreist angelogen. Er hatte ihr vertraut. Wer ließ seine Freundin schon mit einem anderen Kerl über Nacht wegfahren? Er war ein Vollidiot. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Er musste wissen, was sie nachts im Wald zu suchen hatten und schlich weiter hinter den beiden her. Die Dunkelheit schützte ihn. Naomi und Kai schienen vollkommen in ihr Gespräch vertieft. Vermutlich hätten sie ihn nicht einmal bemerkt, wenn er noch mehr Geräusche verursacht hätte, als er es ohnehin schon tat. Äste schlugen ihm ins Gesicht. Er tastete sich langsam vorwärts. Im Wald war es bereits dunkel, und er erkannte kaum, wohin er trat. Behutsam setzte er einen Fuß vor den anderen. Hinter ihm raschelte es. Er fuhr herum. Nichts. Da war nichts. Der Wald unweit der Ortschaft. Hier trieben sich keine Bären herum. Vermutlich nur eine aufgeschreckte Maus, die aus Angst vor ihm geflüchtet war. Er schalt sich einen Feigling. Roman blieb stehen und lauschte, bis er vor sich leises Rascheln vernahm. Geräuschlos tastete er sich weiter, der Waldboden dämmte seine Schritte. Wo steckten sie nur? Als er glaubte, sie endgültig verloren zu haben, tauchte die Lichtung vor ihm auf.
Die Lichtung war erhellt, als wäre sie von einem Spot angestrahlt. Deutlich erkannte er Naomi und Kai im Mondlicht. Roman kauerte sich nieder. Sein Magen verkrampfte sich schmerzhaft. Den aufsteigenden Kloß in seinem Hals würgte er nieder. Warum stürmte er nicht einfach auf die Lichtung und forderte eine Erklärung von Naomi? Das wäre das Mindeste, was er tun müsste. Doch was sollte er ihr vorwerfen? Seine Neugier siegte; sie war stärker, als seine Enttäuschung. Er musste erfahren, was die beiden hier zu schaffen hatten.
Wie ein Hase saß er zusammengekauert im Gebüsch, den Blick fest auf Naomi geheftet. Sie ging auf eine Ulme zu, die durch ihre Größe die Lichtung beherrschte. Ohne ein Wort zu verlieren, zog sie sich aus und legte sich unter den Baum. Roman starrte auf Naomis nackten Körper; unfähig sich zu bewegen. Er schmeckte Blut, seine Zunge fuhr über seine Unterlippe. Er hatte sich die Lippe aufgebissen.
Ein unbestimmtes Gefühl sagte ihm, dass es sich bei diesem Treffen nicht um ein romantisches Date im Wald handelte, obwohl sich Kai
Weitere Kostenlose Bücher