Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
nur noch sein Hinterlauf Probleme bereitete. Auch das würde noch vergehen.
Sammy bewegte sich vorsichtig, um kein Geräusch zu verursachen. Er musste wissen, ob Verstärkung angekommen war, oder ob Kai immer noch dachte, er könne alleine auf Naomi achten. Noch war sie schwach und unbeholfen, aber sie trainierte hart. Härter als andere. Sie hatte die Ulme erklommen. Das hatte noch niemand in den ersten Monaten gewagt. Der Abstieg gelang ihr noch nicht, aber das könnte sich in einigen Nächten ändern.
Sammy schlich weiter. Den Bauch dicht am Boden, schob er sich an den Rand der Lichtung. Kai und Naomi waren hier. Ansonsten konnte er niemanden ausmachen. Sie waren alleine. Naomi jagte hinter Kai her, der ihr immer wieder entwischte. Sie fauchte leise, um ihrem Ärger Luft zu machen. Dieses Verhalten kannte Sammy zu Genüge. Naomi wollte alles erreichen - und zwar sofort. Das würde sie zu einer harten Gegnerin machen. Beim nächsten Vollmond werde ich sie angreifen, dachte er. Vielleicht auch schon früher, wenn sich die Gelegenheit für einen kleinen Unfall ergibt.
Eine Brise wehte einen zarten Schweißgeruch herüber. Sammy schnüffelte. Er kannte den Geruch. Er schob sich rückwärts tiefer in den Wald hinein, schlug einen weiten Bogen um die Lichtung, nahm die Witterung auf und folgte ihr. Der Geruch nahm zu, war nun deutlicher und reiner. Er führte Sammy direkt zu Roman. Als Sammy ihn entdeckte, hätte er am liebsten laut gelacht. Doch das kehlige Geräusch hätte ihn verraten. Lautlos schlich er sich dichter an Roman heran, bis er vor Erregung auf einen trockenen Zweig trat. Das Geräusch ließ Roman herumfahren.
Sie standen nur etwa acht Meter voneinander entfernt. Sammy baute sich zu voller Größe auf, schob seine hintere Körperhälfte leicht schräg, um noch größer zu wirken. Die Ohren dicht an den Kopf nach hinten gefaltet, zog er die Lefzen hoch und zeigte Roman mit einem furchterregenden Fauchen seine Reißzähne. Romans Gesichtszüge waren vor Schreck und Angst entstellt. Er riss die Augen auf, sein Mund zu einem tonlosen O geformt. Sammy genoss diesen Anblick – und fauchte ein weiteres Mal.
*
Nachdem Naomi Kai nicht hatte fangen können, war ihr Ehrgeiz angestachelt. Wenn sie schon Kai nicht erwischte, dann wollte sie es in dieser Nacht wenigstens schaffen, einigermaßen sicher von der Ulme zu klettern. Kai lief ihr wütend hinterher. »Sei nicht unvernünftig. Du übernimmst dich!«
Naomi erklomm die Ulme ohne Probleme. »Ich muss es wenigstens versuchen.« Sie stand auf einem Ast hoch oben im Geäst und ignorierte Kai, der mit peitschendem Schwanz unter ihr zwischen den Baumwurzeln saß.
Ein leises Knacken im Unterholz ließ Naomi aufhorchen. Kai stellte ebenfalls die Ohren auf. Dem Knacken folgte ein Fauchen. Sammy war hier. Es konnte nur Sammy sein. Kai drehte sich in die Richtung, aus der das Fauchen gekommen war. Ein weiteres Fauchen war zu hören, Äste knackten, ein erstickter Schrei folgte.
Aus dem Unterholz stürzte Roman auf die Lichtung. Er lief, stolperte, fiel hin. Auf dem Rücken liegend schob er sich mit den Beinen weiter vom Rand weg, weiter in die Lichtung hinein.
Naomi blieb keine Zeit, darüber nachzudenken, was Roman im Wald zu suchen hatte. Sammy setzte Roman nach. Seinen Körper dicht an den Boden geduckt, pirschte er sich Schritt für Schritt weiter an ihn heran, der seinerseits die Füße in den Waldboden stemmte und versuchte, sich rückwärts von Sammy zu entfernen. Naomi erfasste die Situation. »Roman!« Roman konnte sie nicht hören, aber Sammy hörte ihren Gedanken. Sein Blick wanderte zu ihr hoch. Naomi sah das wilde Glitzern in seinen Augen. Er wollte Roman töten.
Kai fauchte, was Roman zusammenfahren ließ. In seiner Flucht vor Sammy war Roman auf die Lichtung gekrochen, ohne auf Kai zu achten.
Naomi sah, wie Roman nun versuchte, sich vor beiden in Sicherheit zu bringen. Sie verteufelte sich, auf dieser Ulme zu sitzen und nicht einschreiten zu können. Sammy richtete sich aus seiner geduckten Position auf. Er machte sich zur Jagd auf Roman bereit. Kai stand noch zu weit entfernt, um sofort eingreifen zu können. Naomi zögerte jetzt nicht länger. Sie zog die Knie- und Fußgelenke zusammen – und sprang. Sie hörte, wie Kai noch etwas rief, aber was es war, erfasste sie nicht. Der Sprung aus zehn Metern Höhe verlangte ihre volle Konzentration. Ihr Blick war fest auf Sammy gerichtet, der innehielt. Sie meinte, Unglauben in seinen Augen
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