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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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das wie eine köstlich brennende Ewigkeit erschien. Sie erinnerte sich an den bedingungslos verlangenden dunklen Blick, der sich zu Scheu gewandelt hatte, als er sich über sie neigte. Sie kannte den Grund für diese Scheu, für diese stumme Frage, ob er ihr trauen könne. In dieser Sekunde hatte sie seine tiefen Wunden gefühlt, als wären es ihre eigenen. Er war ein Heiler, der selbst der Heilung bedurfte.
Sanft strich sie über seine dünne Haut und fühlte sein Schauern. Er zuckte nicht zurück. Er traute ihr. Ihre Hände legten sich um sein Gesicht, und ihre Blicke tauchten ineinander:
Wenn ich nur Worte hätte, um zu sagen, wie bedingungslos ich dich liebe.
    In der Mitte der Nacht klangen Glockenschläge zu ihm, sehr gedämpft. Er richtete sich nicht auf; wollte Elaines Schlaf nicht stören. Sie drehte sich in der Geborgenheit seiner Arme zu ihm und murmelte: »Es ist die Mitternachtsmesse, Eric.«
    »Habe ich dich geweckt?« flüsterte er erschrocken. Er hatte sich nicht bewegt.
»Ich bin aufgewacht, als du wach wurdest.« Nie zuvor hatte sie sich einem Mann so verbunden gefühlt. Er umarmte sie fester und atmete einen tiefen, unhörbaren Seufzer.
»Ich sollte mich bei Claire bedanken«, murmelte er, »aber ich wüßte wirklich nicht, wie ich es formulieren sollte.«
»Ich weiß, was du meinst.« Zart zeichnete sie verschlungene Muster auf seine Schulter. »Mir geht's genauso.« Dann hatte sie eine Idee. »Weißt du, wir lassen den Spruch von Apollinaire auf ein schönes Bild schreiben und einen Rahmen darum machen.«
»So wie deines von Professor Gray?«
»Ja, so ähnlich.«
»Denkst du, sie wird es verstehen?«
»Oh, ganz bestimmt.« Sie schmiegte sich an ihn und fühlte seine erneut aufflammende Leidenschaft. Ihr letzter klarer Gedanke war die Erinnerung an die zahlreichen Telefonate, die Claire und sie geführt hatten. Sie hatte mit dem Rezept für die Scones ein wenig geschwindelt. Er mußte ja nicht alles wissen.

22

    In den nächsten Tagen lernte Eric, wie sich Glück anfühlt. Er war durchdrungen davon, er fühlte es in sich pulsieren, und sein Kopf schien immer ein wenig zu leicht zu sein, als habe er gerade ein
    Glas Champagner getrunken. Manchmal überwältigte ihn dieses Gefühl, und dann mußte er den Wagen an die Seite lenken und die Stirn auf das Steuerrad pressen, bis er wieder freier atmen und klar sehen konnte. Elaine war in sein Leben getreten und streute Zuversicht und Wärme und Liebe aus.
    Der Gedanke an sie verließ ihn nie. Sie war immer um ihn, selbst wenn sie nicht beieinander sein konnten: sie legte sich neben ihm schlafen und hielt ihn in ihren Armen wie in ihrer ersten gemeinsamen Nacht, sie war bei ihm, wenn er duschte und sich rasierte, sie saß ihm unsichtbar am Tisch der Hickmans gegenüber, stand am Zaun der Koppel, wenn er mit den Pferden arbeitete, und begleitete ihn auf seinen Runden. Dieser Zauber wirkte sich auch auf seine Umgebung aus. Claires Gesicht war nie sonniger gewesen, David lächelte sogar, wenn wieder einmal ein ungestümes Jungpferd nach ihm schlug.
    »Gee, Guvnor, Sie sind heute ja wieder mal glänzender
    Laune.«
»Ist das ein Wunder an einem herrlichen Tag wie diesem,
Mr. Sims?«
Mr. Sims warf einen sprechenden Blick zum düster
dräuenden Himmel auf, dessen niedrige Wolkendecke Schnee
erwarten ließ, zog seine dicke Joppe enger zusammen und
sagte: »Ich habe bei der letzten Gemeindesitzung angeregt,
daß der Bürgermeister sich um einen Tierarzt für unsere
Gegend kümmern soll. So, wie Sie's wollten.«
»Tatsächlich?« Eric hatte nicht zugehört. Das ging ihm seit einigen Tagen ziemlich oft so. Und außerdem hatte er das Stethoskop in den Ohren und konzentrierte sich auf die Untersuchung der Kuh. Seit Tagen hatte das Tier keine Nahrung mehr aufgenommen. Strahlend blickte er über ihren Rücken zu ihrem Besitzer. »Wissen Sie, Mr. Sims, ich bin sicher, sie hat irgend etwas gefressen, das selbst eine Kuh nicht verdauen kann, so etwas wie einen Draht. Ich werde sie
wohl aufschneiden müssen.«
»Eine Operation?!«
»Genau«, bestätigte Eric. Und dabei lächelte er glücklich. »Verdammt!« Mr. Sims trat gegen einen losen Stein. »Verdammt! Dieses Vieh kostet mich mehr an
Tierarztrechnungen, als es wert ist! Zuerst das Verwerfen des
Kalbes, dann das entzündete Bein, und jetzt auch noch das!«
Er gab der mager gewordenen Kuh einen ärgerlichen Klaps
mit der flachen Hand, unterdrückte einen weiteren Fluch, als
er seine Handfläche an dem hervorstehenden

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