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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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Lieber«, dann drückte sie einen kleinen Kuß auf seine Schläfe und war
fort.
Dr. Mercury hatte still an der Wand gestanden und
beobachtet, die Hände in die Kitteltaschen gegraben. Als
Claire den Raum verlassen hatte, trat sie zu dem Patienten.
»Mein Name ist Mercury. Elaine Mercury.« Sie hatte eine
hübsche Stimme, ganz weich und melodisch. Irgendwann
einmal, in seinen Träumen, hatte er diese Stimme schon
gehört. Seine Lippen bewegten sich, aber es gab keinen Laut.
Er war sehr bleich und sah erschöpft aus.
»Was haben Sie gesagt, Mr. Gustavson?«
»Fayre Elaine.«
»Fayre Elaine?!«
»Steinbeck. Meine Reisen mit Charly, erstes Kapitel.« »Ich bin Ihre Ärztin. Ich muß weitere Untersuchungen
vornehmen, jetzt, da Sie wach sind.«
»Sie passen überhaupt nicht ins Bild«, murmelte er,
während sie tastete, Lichtstrahlen in seine Augen fallen ließ,
seine Wirbelsäule abklopfte: »Sagen Sie, wenn es weh tut.« –
»Ja, Dr. Mercury.« Sie überprüfte seine Reflexe. »Alles
soweit in Ordnung. Der Arm wird auch bald wieder
funktionieren. – Was meinten Sie, ich passe nicht ins Bild?« »Ach, Unfug, ging mir nur so durch den Sinn.«
»Ich habe Interesse an Unfug. Sagen Sie's?«
»Na, wie Sie aussehen – helle Haut und rotes Haar wie
eine Keltin und dunkle Augen wie eine Piktin. Wie geht das
zusammen?«
»Interessiert Sie das denn?« Rosie, die umfängliche
grauhaarige Schwester, hatte gesagt, der Junge könne nicht
ganz bei Sinnen sein, er rede so wirr. Dr. Mercury zwinkerte
schelmisch und sagte: »Ich bin eben eine Mischung. Unseren
Familienstammbaum habe ich nie erforscht, aber es scheint so
zu sein, daß weder die Pikten noch die Kelten sich für sich
gehalten haben.« Der junge Mann war schon ganz richtig,
dachte sie, nur bestürzt über die Tatsache, daß er geschlagen
worden war. Er hätte sich ja auch in groben Beschimpfungen
Luft machen können, sie hätte das nicht zum ersten Mal
erlebt, doch er nahm Zuflucht zu angelesenem Wissen. Rosie
mochte das erschüttern, weil einer von »da draußen« mehr wußte als sie; aber Elaine Mercury entwickelte eine Art
Hochachtung.
Die tiefblauen Schatten um seine Augen wurden innerhalb
weniger Minuten noch dunkler, sein Körper wurde schnell um
mehrere Grade kälter. Kurz bevor er das Bewußtsein wieder
verlor, murmelte er beinah unhörbar: »Es sieht aus, als ob –
ich denke, Sie sind eine sehr schöne Mischung.«
    Das Leben im Krankenhaus war eine neue Erfahrung für Eric. Er, der früh erwachsen geworden war und seit langem schon für sein Wohlergehen sorgte – der aß, wenn er hungrig war, schlief, wenn es sich einrichten ließ –, wurde entmündigt. Es gab für alles festgelegte Zeiten: für die Hygiene, die Mahlzeiten, die Untersuchungen. Er unterdrückte einen Wutausbruch, als ihm nicht erlaubt wurde, unter die Dusche zu gehen. Hugh wusch ihn im Bett, nachdem er eine gummierte Unterlage auf die Matratze gelegt hatte, und er war sehr gründlich, aber Eric hatte dennoch das Gefühl, nicht sauber zu sein. »Jetzt noch die Haare.« Ein fahrbares Becken wie beim Friseur, nur niedriger, wurde herangezogen, und Hugh legte vorsichtig seinen Nacken in die dafür vorgesehene Mulde. Der Wasserstrahl rann sanft über seine Kopfhaut. »Ist die Temperatur okay?«
    »Ja, ist sie«, kam es zwischen zusammengebissenen
    Zähnen hervor. »Aber verflucht, ich kann das selbst!« »Können Sie nicht. Es geht nach Dr. Mercury, und ihre
Order lautet, Sie dürfen nicht länger als fünf Minuten auf den
Beinen sein.« Eric schnaufte ärgerlich, und Hugh ließ ein
kleines Lachen hören, während er ihm den Kopf gründlich
schamponierte: »Seien Sie froh, daß sie Ihnen wenigstens
fünf Minuten zugestanden hat, da können Sie immerhin aufs
Klo gehen und müssen nicht auch noch die Bettpfanne in
Kauf nehmen!«
»Ich werde mit ihr reden.«
»Das können Sie tun, aber es wird nichts nützen.« Hugh
fing seinen widerwilligen Kopf mit einem dicken Handtuch
ein. »Ich hab's noch nie erlebt, daß Dr. Mercury eine
Anordnung widerrufen hat. Und zu Recht. Sie ist eine verflixt
gute Ärztin.«
»Sie sieht aus wie ein Teenager. Nicht älter als siebzehn.« »Legen Sie neun Jahre drauf, dann stimmt's. Sträuben Sie
sich nicht so, Eric. Vertrauen Sie ihr. Dr. Mercury versteht
ihre Sache.«
»Aber – dieses Waschen!«
»Wie geht's Ihrem Kopf? Beklagt er sich?«
»Nein!«
»Wirklich nicht?«
Eric mußte die Augen schließen, weil sich alles drehte.
»Na, ein bißchen grummelt er schon.«
»Ich werd

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