Im Schatten des Pferdemondes
Linke bewegte sich
langsam darauf zu und umfaßte sie leicht und fühlte ein
heftiges antwortendes Pressen.
Es war ein merkwürdiges Gefühl, den rechten Arm so gar nicht bewegen zu können; nicht schmerzhaft, nicht einmal unangenehm – da war einfach nichts, so, als gehöre dieses Glied gar nicht zu ihm. Claire umfaßte seine linke Hand ganz fest, und er sah einen feuchten Schimmer in ihren Augen. »Nicht«, sagte er heftig und wollte sich aufrichten, »nicht
doch, Claire!«
»Ach, tut mir leid, mein Junge. Seien Sie nur ruhig.« Sie
wischte sich heftig über die Augen. »Ich bin's ja auch. Es ist
wohl der Schreck – David hatte wie verabredet auf Sie
gewartet, und als Sie nicht kamen, fuhr er runter zum Haus.
Der alte Fargus erzählte ihm, was passiert war, und daß Mrs.
Fargus mit zum Krankenhaus gefahren war. Er war sehr
aufgeregt und besorgt und hatte eigentlich mitfahren wollen,
aber Emily meinte, das wär nicht gut für ihn. David kam dann
nach Hause und holte mich ab, und seitdem sind wir hier, seit
gestern Abend.«
Erics Augen huschten erschrocken zum Fenster. Das Licht
wurde blau. Hugh mußte ihm eine ganz hübsche Portion
verpaßt haben, wenn er jetzt erst aufgewacht war. Er bewegte
sich unruhig. Lance – er haßte es, seinen Verpflichtungen
nicht nachkommen zu können. Als habe sie seine Gedanken
gelesen, sagte Claire: »Ich habe Billy angerufen. Er versorgt
Sir Lancelot mit Futter und Wasser.« Sie sah seinen
erschrockenen Blick und streichelte beruhigend seine Hand:
»Ich hab ihm gesagt, er soll die Eimer einfach durch die Tür
schieben und gar nicht erst versuchen, in den Stall zu gehen.
Und morgen kann ich mich wieder um Prince Charming
kümmern. Aber ich konnte nicht von hier weggehen ohne zu
wissen, wie's um Sie steht.«
Prince Charming! Es schien Ewigkeiten her zu sein, seit
sie Lance zum ersten Mal so genannt hatte. Zwischen diesem
Augenblick und dem Jetzt lag die Erfahrung, daß jede Regel
ihre Ausnahme hat. Er dachte an die Wolke aus Haß und
Unzugänglichkeit, die um Solitaire gewesen war, als sie auf
ihn zuraste und ihn angriff. Ihn schauderte: Er hatte keine
Möglichkeit, sie zu erreichen. Zum ersten Mal begriff er, daß
bei allen Pferden, mit denen er je zu tun gehabt hatte, immer
noch, und sei er nahezu unauffindlich verborgen, ein winziger
Schimmer von Hinwendung gewesen war, so wie ein Fünkchen Glut unter der toten Asche glimmen kann. Bei
Solitaire war nichts.
Sie war, recht betrachtet, nur eine von vielen, und ein
einzelnes Pferd war es nicht wert, daß er sein Leben für seine
Heilung riskierte. Er mußte an die anderen denken, die ihn
brauchten und denen er helfen konnte. Es war eine harte,
schmerzliche und sehr bittere Erkenntnis. Irgend etwas oder
irgend jemand hatte Solitaire zerbrochen. Ihre innere Welt
lag in Splittern. Darum hatte er sie nicht erreichen können.
Darum würde es ihm nie gelingen. Scherben lassen sich
wieder zusammenfügen, Splitter aber nicht. Er hätte nicht
gewußt, wo er anfangen sollte.
»Danke, Claire«, murmelte er als Antwort auf ihre letzten
Worte.
»Schschsch – nicht sprechen.« Geradezu schuldbewußt
wandte sie sich zu der Tür um, durch die ein weißer Kittel
trat – blendend, schmerzhaft weiß für Eric. Er schloß die
Augen. »Ich weiß, Dr. Mercury«, hauchte Claire. »Zeit zu
gehen.« Sie neigte sich ein wenig über Eric und blendete das
schmerzhafte Weiß aus. Dankbar sah er sie an.
»Morgen komme ich wieder, ja?«
Wenn Menschen freundlich zu ihm waren, hielt Eric es im
allgemeinen für Höflichkeit oder Berechnung. Doch in
Claires Augen las er, daß er wichtig für sie war, er, Eric
Gustavson, selbst in seinem erbärmlichen Zustand, halbnackt
und geschwächt, und er dachte an den gestrigen Morgen
zurück und sah in seiner Erinnerung wieder den Ausdruck von
Davids Augen, bevor eine dicke Rauchwolke sie verschleiert
und dann zum Blinzeln gebracht hatte; es war ganz der
gleiche Ausdruck gewesen, der jetzt in Claires Augen lag;
und seine Kehle war plötzlich eng und sehr trocken.
»Danke, Claire«, flüsterte er. Er war beinah ohne Atem vor
der eben gewonnenen Erkenntnis, daß diese beiden ihm mehr
als Freundlichkeit entgegenbrachten. Ihre ineinander
ruhenden Hände fühlten diesen Strom, der sich gegen jedes
Hindernis Bahn geschaffen hatte. Claire neigte sich über ihn:
» Ceud mìle faìlte – in unserem Leben. Es wäre so viel ärmer
ohne dich. Komm bald zurück. Wir vermissen dich.« Ihre
rauhe Hand strich über seine Wange: »Bis morgen,
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