Im Schatten des Pferdemondes
gerolltem Hals, schlug so hoch aus, daß man meinte, er werde sich überschlagen, sprang mit allen vieren hoch wie von einem Katapult geschleudert, segelte ein gutes Stück durch die Luft, kam auf und sprang sofort weiter mit langgestreckten, leicht fließenden Galoppsprüngen – ein Fluß von Gold. Er umkreiste Pony und Reiter. Er neckte Gray Beard, indem er sich halb an seiner Seite aufbäumte, als sei der Wallach eine Stute, die er einem imaginären Rudel zutreiben wollte – wieder und wieder brachte er den geduldigen Grauen aus seinem regelmäßigen Trab und hatte offenbar Vergnügen daran. Eric amüsierte sich über die Eskapaden seines Schützlings, hielt es aber doch für angemessen, sich bei Gray Beard zu entschuldigen: »Er ist sonst nicht so, weißt du. Normalerweise ist er sehr ernst, und manchmal sogar richtig förmlich. Es ist das erste Mal, daß ich ihn so mit dem Schalk im Nacken erlebe.« Er klopfte Gray Beards Hals: »Sieh's ihm nach, mein Junge. Die Freiheit steigt ihm ein bißchen zu Kopf.«
Sir Lancelot war ein einziges Funkeln und Sprühen, als er mehrere Längen vor ihnen in den Hof der Hickmans trabte. Er wußte genau, wohin er gehörte. Am nunmehr unbeachteten Hühnerauslauf vorüber trabte er ausgreifend und zielstrebig auf seinen Zaubergarten zu, kreiste auf dem kurzen, samtigen Rasen, blieb dann beim Springbrunnen stehen und sah Eric und Gray Beard entgegen. Er war durstig nach seinen Eskapaden, aber er trank nicht, denn er wußte, daß Eric zuerst die Temperatur des Wassers prüfen würde, bevor er ihm erlaubte zu trinken.
Der Rausch der Freiheit war eine Sache; Freundschaft und Respekt eine andere. »Das ist mein guter Junge«, murmelte Eric anerkennend. Er rutschte von Gray Beards Rücken und tauchte seine Hand in das Wasser. Gegen Abend stellten die Hickmans die Fontäne ab – ihre aufsprühende Frische wurde vor allem in der warmen Mittagszeit gebraucht. Das im Becken stehende Wasser war eben handwarm. »Okay, Jungens.« Eine goldene und eine dunkelgraue Nase neigten sich einträchtig über das Wasser. Lance ließ spielerisch ein paar Tropfen über Erics Haar laufen, worauf diesem eine nasse dunkle Strähne in die Stirn fiel. Eric zerraufte spielerisch seine Mähne: »Man merkt schon, daß deine Großmutter aus Irland war – die Iren haben alle einen kleinen schalkhaften Teufel auf der Schulter; aber übertreib's nicht. Es heißt auch, derselbe kleine Teufel jagt ihnen einen Stachel in die Kehle, wenn sie zu viel und zu laut lachen.«
Lance verhielt sich darauf wie ein vor Übermut quirlendes Kind, das sich in einem ernsthaften Versuch um Beherrschung auf die Lippe beißt: er stellte die Beine nach außen, streckte den Hals lang und schüttelte sich heftig. Gray Beard hob unberührt davon den Kopf und sah den Hickmans mit mildem Interesse entgegen, als sie über den Rasen auf sie zu kamen.
»Ein Pony? Eines von Billys, nicht?« David sah ihn fragend an.
»Ich will noch mal zu den Fargus' hoch, David, und Lance kann ich nicht nehmen.«
»Ich fahre Sie, das wissen Sie doch.«
»Es könnte aber länger dauern, und ich will mich auch auf dem Gelände umsehen; zu Pferd ist das viel einfacher.«
»Klingt ja beinah nach Unternehmen Mitternacht.«
»Das könnt's werden.«
Claire sagte nichts. Sie sah ihn eindringlich an.
»Ich hab mein Versprechen nicht vergessen, Claire.«
Sie nickte, aber eine kleine Sorgenfalte vertiefte sich auf ihrer Stirn. »Ich will's Ihnen nicht ausreden, aber kommen Sie wenigstens noch ins Haus und essen Sie mit uns, wenn Sie die Pferde versorgt haben.«
Der zunehmende Mond lag ihm im Blut. Selbst wenn er überhaupt nicht auf den Stand des wechselvollen Trabanten achtete, spürte Eric bei zunehmendem Mond eine ansteigende Unruhe, die ihren Zenit erreichte, wenn der Mond sich völlig rundete. Die Wetterlage spielte eine gewisse Rolle: wenn der Himmel bedeckt war oder Regen oder Schnee ausschüttete, war die Unruhe gedämpft, doch unleugbar vorhanden. In klaren Nächten aber verspürte er einen Sog in seinen Adern, der sich von Nacht zu Nacht steigerte und bis zum Vollmond den Charakter eines Fiebers annehmen konnte. In Nächten wie diesen hatte er Lionheart auf die Rennbahn gebracht – seine eigene Wachheit und Intensität hatte sich auf das sensible Tier übertragen.
Als er das Tor zu Sunrise passiert hatte, breitete sich die Auffahrt als silbriges Band vor ihnen, aus dem das bleiche Licht jede Erhöhung scharf und spitz hervorhob und jede kleinste
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