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Im Schatten des Ringes

Im Schatten des Ringes

Titel: Im Schatten des Ringes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Felice
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meinte er bedauernd.
    „Red kein dummes Zeug“, entgegnete ich. „Sie bedeuten mir nichts.“ Aber er bedeutete mir alles! Ich schrie beinahe vor Enttäuschung auf. Klarheit hatte meinen Geist geformt und mir die Fähigkeit verliehen, Wege zu suchen und Landkarten zu zeichnen und Baltsar zu heben. Entweder sie oder ich war eine Närrin. Damals glaubte ich, daß ich die Dumme war.

    Bei Anbruch der Nacht langte Teon bei uns an der Mündung der Bucht an. Seine Hände waren von dem Kletterweg zerschunden und zerkratzt. „Ist der Weg über die Wand der einzige?“ fragte er mich, während er seine Last ablegte.
    „Nein, aber die anderen sind noch steiler.“
    Er blickte Baltsar an und schüttelte den Kopf. „Wir müssen einen besseren Weg finden, wenn meine Gefährten Waren von hier zur Stadt schleppen sollen. Wir sind schließlich keine Katzen .“
    „Nicht was?“ fragte ich, da ich das Wort nicht verstanden hatte.
    „Es ist ein Begriff aus der Sprache meines Volkes. Er läßt sich nicht übersetzen.“ Er ging zum Wasser, um die Schnitte in seinen Händen auszuwaschen. Ich folgte ihm.
    „Warum läßt es sich nicht übersetzen?“ wollte ich wissen.
    „Die Katze ist eine legendäre Kreatur, die dort laufen kann, wo Menschen nicht weiterkommen.“
    „Das erscheint mir paradox. Ich bin ein Mensch und habe die Wand schnell hinter mich gebracht.“
    Er legte sein Gewand ab und spritzte sich Wasser in sein Gesicht, auf die Brust und schien danach richtig erfrischt zu sein. Als er mich anschaute, lag in seinem Gesicht ein verschmitztes Grinsen. „In meiner Sprache sagen wir dort, wo ihr Sklaven meint, stets nur Menschen.“
    „Aha“, sagte ich. „Und was bin ich dann in eurer Sprache? Eine Sklavin?“
    Er schüttelte den Kopf. „Paramenschlich für einige, eine Katze für andere.“
    „Nun …“ Ich schwieg einen Moment und bemühte mich, meine Verblüffung zu verdrängen. „Deine Übersetzung ist respektlos und unlogisch. Wir machen noch nicht einmal den niedrigsten Menschen zum Sklaven. Wenn du dich als mir gleichwertig ansiehst, dann wäre dir klar, daß Flucht und Freiheit eine moralische Pflicht sind. Und du hast genügend Gelegenheit gehabt zu fliehen.“
    „Wenn du wirklich einmal mit einem Gebirgsstamm unterwegs warst, dann erinnerst du dich vielleicht auch noch daran, wie schlimm es war, zu hungern und gejagt zu werden“, sagte der Sklave ernst. „Ich bin eher darauf angelegt, das Schlimme wenigstens so lange zu ertragen, wie es noch halbwegs erträglich ist.“
    „Hör auf, Teon“, mischte Baltsar sich ein. „Mach Feuer.“
    Mit einem bitteren Ausdruck im Gesicht, den Baltsar aber nicht sehen konnte, folgte Teon der Aufforderung. Baltsar kam zu mir und meinte leise: „Laß dich von Sklaven niemals in eine Diskussion verwickeln. Das bringt nur ihre Nerven in Aufruhr.“
    „Ich glaube kaum, daß Teon unbedingt recht haben wollte oder sich irgendwie aufspielt“, sagte ich, „abgesehen davon bin ich neugierig.“
    „Ein richtiges Unglück“, meinte er trocken. „Heao ist neugierig auf Sklaven.“
    „Hältst du es denn nicht für sonderbar, daß es vor nur einer Generation noch gar keine Sklaven gab? Interessiert es dich nicht, wo sie herkommen?“
    „Aus dem Immernachtgebirge.“
    Ich runzelte die Stirn. „Und was ist mit dieser Geschichte, daß sie angeblich vom Himmel gekommen sind?“
    „Die Götter sind auf vielfache Weise tätig und handeln oft seltsam.“
    „Quatsch“, stieß ich spontan hervor. „Wie kannst du als Atheist eine solche Geschichte nur glauben? Hast du gehört, was er sagte? Er behauptet, ein Mensch zu sein.“
    Baltsar zuckte die Achseln. „Ich verzeihe ihm.“
    „Ich nicht“, sagte ich und drehte mich zum Feuer um, das Teon mittlerweile angefacht hatte. Baltsar folgte mir. „Teon“, begann ich, „erzähl mir mehr von deiner Sprache; bring sie mir bei, vor allem die Worte, die sich nicht übersetzen lassen.“
    Der Sklave starrte mich erschrocken an, und Baltsar protestierte sofort. „Heao, das ist nicht sonderlich klug. Der Tempel verbietet …“
    „Würdest du bitte?“ sagte ich und unterbrach Baltsar und verwandelte den barschen Befehl in eine Bitte.
    Teon blickte auf Baltsar. Ich folgte seinem Blick. Der Nackenpelz meines Freundes war gesträubt, sein Schwanz zuckte, und seine Krallen waren ausgefahren. Ich hatte nicht mit einer so heftigen Reaktion Baltsars gerechnet, doch da es nun geschehen war, schaute ich mich um, um Teons Erklärung zu

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