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Im Schatten des Schloessli

Im Schatten des Schloessli

Titel: Im Schatten des Schloessli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Kahi
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spätestens an der Einsatzbesprechung, das ist immer noch früh genug. Um neun, wie immer, nehme ich an? Übrigens: Der Herr Staatsanwalt ist verständigt. Und ums Aufräumen braucht ihr euch auch nicht zu kümmern. Meine Leute erledigen das, sobald ihr hier fertig seid. Nicht, dass ihr noch eine unserer kostbaren Tatortleuchten einsackt.» Er stapfte davon. Breitbeinig, sich in den Hüften wiegend, ein John Wayne, der den Zenit überschritten hatte.
    «Echt sympathisch, Ihr Kollege.» Saliha Arslan versuchte gar nicht erst, ihre Überraschung über den Auftritt Norbergs zu verbergen. «Ein ulkiger Haufen, diese Kripo. Künftig werde ich wohl noch öfters das Vergnügen haben.»
    «Das kann ja heiter werden.» Missmutig kniff Geigy die Augen zusammen. «Haben Sie ausser Ihrer kompetenten Einschätzung von der Kripo auch etwas Substanzielles zur Leiche beizutragen? Die ungefähre Todeszeit wäre hilfreich. Oder die Todesursache.»
    «Ja klar, die Schuhgrösse des Opfers flüstert mir zu, dass der Mann genau um null Uhr siebenundvierzig an einem Blinddarmdurchbruch gestorben ist.» Saliha Arslan seufzte. «Sie wissen genau so gut wie ich, dass ich Ihnen keine verlässlichen Angaben machen kann. Sie müssen schon die Obduktion abwarten. Aber wenn es Sie beruhigt: Ich nehme an, dass der Tod irgendwann zwischen zweiundzwanzig Uhr gestern Abend und zwei Uhr heute früh eingetreten ist. Möglicherweise haben die Schädelfraktur am Hinterkopf oder die Rissquetschwunde an der Schläfe zu einer Hirnblutung und dadurch zum Tod geführt. Ich denke übrigens nicht, dass der Tote freiwillig die Treppe hinuntergestürzt ist. Wenn ich Sie wäre, würde ich nach einem Draht oder etwas Ähnlichem suchen. Die Quetschmarken an seinem linken Schienbein», Saliha Arslan wies auf einen blutunterlaufenen Streifen, der quer über Mortons Bein lief, «sind jedenfalls charakteristische Stolperdrahtindizien. Was die Schnittwunden an den beiden Ohrläppchen angeht, bin ich mir ziemlich sicher, dass sie dem Opfer postmortal zugefügt wurden. Hätte der Mann zum Zeitpunkt der Verletzungen noch gelebt, müssten deutlichere Wundhämatome zu finden sein. Doch das Weichgewebe ist nur geringfügig unterblutet.»
    «Interessant.» Unold, der sich die letzten Minuten bewusst im Hintergrund gehalten hatte, trat neben seinen Chef. «Die Erfahrung lehrt uns –»
    Geigy lachte auf. «Entschuldigen Sie, aber von welcher Erfahrung sprechen Sie gerade?»
    «Gut so, lassen Sie Ihre Anspannung heraus», erwiderte Unold unbeeindruckt.
    Saliha Arslan konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
    «Wie gesagt: Die Erfahrung lehrt uns, dass eine Leiche stets vom Täter verstümmelt wird», fuhr Unold fort. «Es sei denn, es handelt sich um Nekrophilie. Wir können also davon ausgehen, dass Mortons Ohren von seinem Mörder eingeschnitten worden sind. Sie stimmen mir doch zu, dass hier kein Fall von Leichenschändung vorliegt?»
    «Wenn Sie es sagen.»
    «Des Weiteren wissen wir, dass es sich beim Täter mit grosser Wahrscheinlichkeit um einen Mann gehandelt hat. Denn laut Statistik sind es fast ausschliesslich Männer, die ihre Opfer verstümmeln –»
    «… und die Opfer sind in der Regel Männer – sofern Täter und Opfer sich nicht kannten. Handelt es sich jedoch um einen Intimizid, sind die Opfer Frauen», leierte Bernhard Geigy herunter. «Ich weiss. Zufälligerweise kenne ich die Statistik auch. Und da wir es hier mit einer männlichen Leiche zu tun haben –»
    «Da muss ich sie wohl enttäuschen», unterbrach ihn Saliha Arslan. Sie stand aus der Hocke auf und massierte sich die eingeschlafenen Beine.
    «Wie?» Irritiert schaute Bernhard Geigy die Amtsärztin an.
    «Chris Morton ist physisch gesehen kein Mann.»
    «Was soll das heissen, ‹Chris Morton ist physisch gesehen kein Mann›? Das ist jetzt ein Witz, oder?»
    «Hören Sie, Herr … Geigy, ich habe zwar noch nicht so viele Legalinspektionen durchgeführt wie mein Vorgänger, aber den Unterschied zwischen einem Mann und einer Frau kenne sogar ich. Und bevor Sie mir jetzt mit den drei K kommen, weise ich Sie höflich darauf hin, dass wir im 21. Jahrhundert angekommen sind.»
    «Die drei K?»
    «Kinder, Küche, Kirche. Und damit wir dieses Thema auch noch gleich vom Tisch haben: Ja, ich habe meine Approbation in der Schweiz gemacht, und ja, ich habe den Schweizer Pass.»
    «Wie kommen Sie darauf, dass Chris Morton kein Mann ist?», fragte Unold. «Immerhin hat er einen … na ja, Sie wissen

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