Im Schatten des Schloessli
zieht endgültig bei dir ein?»
«Sagen wir, sie zieht endgültig bei dir aus.»
Geigy schnaubte.
«Ach ja, und es sei noch nie deine Stärke gewesen, Berufliches von Privatem zu trennen.»
«Wichser.»
«Freundlich wie eh und je. Aber lassen wir das. Du wolltest über den Stand der Dinge ins Bild gesetzt werden –»
«Gopfriedstutz, Gunnar. Du warst derjenige, der mich aus dem Bett geklingelt hat. Und ich hoffe, du hattest einen verdammt guten Grund dafür.»
«Darauf kannst du wetten. Meinst du, ich würde freiwillig einen von euch an den Tatort lassen? Du weisst ja: Ein Ermittler vor Ort ist der Spuren Mord.»
«Sehr witzig. Und warum bin ich dann hier?»
«Diese Sache ist, sagen wir, heikel. Es kann nicht schaden, wenn du den Tatort mit eigenen Augen gesehen hast, bevor die Leiche nach Bern überführt wird.»
«Unold», blaffte Geigy, «da sich unser Kollege offenbar nicht Herr der Lage fühlt, halten Sie seine Geistesblitze sicherheitshalber fest.»
Patrick Unold, der dem Wortwechsel der beiden Männer schweigend gefolgt war, zog widerstrebend Block und Bleistift aus der Jackentasche.
«Wenn Sie sich dafür zu schade sind, können Sie ja gehen.»
Unold mass seinen Chef mit einem abschätzigen Blick. «Ich habe grosse Lust, genau das zu tun. Mir war bis anhin nicht bewusst, dass ich statt bei der Kripo im Kindergarten gelandet bin.»
«Ganz schön selbstbewusst, dein neuer Kollege.» Norberg streckte Unold die Hand hin. «Ich hoffe, Sie wissen, worauf Sie sich mit Geigy eingelassen haben.»
«Von der Uni bin ich mir einiges gewohnt.» Unold nahm die Hand des Älteren und drückte sie knapp.
«Er ist nicht mein neuer Kollege, er ist mein Praktikant. Auf Anordnung des Oberhäuptlings.»
«Ein Aufpasser also. Wie fühlt man sich denn so, wenn am Stuhl gesägt wird, auf dem man sitzt?»
Geigy lief rot an. «Wenn hier einer fliegt, dann du. Ich habe meine Leute unter Kontrolle. Und jetzt will ich verdammt noch mal hören, worum es geht. Am Telefon sagtest du was von Geldleiche.»
«Bankenleiche, mein Lieber, Bankenleiche. Die Bankenleiche des Aargaus schlechthin.»
«Spontan fällt mir dazu nur die ASH ein.»
«Bingo. Chris Morton.»
«Machst du Witze?» Alarmiert eilte Geigy zum Toten, den er bisher nur von Weitem gesehen hatte. «Du heilige Scheisse. Wer hat ihn gefunden?»
«Ein Liebespaar. Angeblich wollten die beiden auf der Bank unter der Kastanie noch etwas plaudern. Dabei stand ihm seine volle Blase im Weg. Sagt er. Also ging er zum Wasserrad hinüber, um sich zu erleichtern. Und da lag er dann, der Herr CEO .»
«Beim Wasserrad, Geigy, Sie erinnern sich.» Patrick Unold konnte seinen Triumph nicht verbergen.
«Das verdanken wir den Kollegen von der Ambulanz. Unser Romeo hat vor lauter Blut nur noch rotgesehen und die 144 angerufen. Zu unserem Pech hat einer der Rettungssanitäter Morton erkannt. Statt ihn zu lassen, wo er war – mausetot auf einer der Holzschaufeln des Wasserrads –, haben ihn die Idioten auf die Trage gelegt und mehr oder weniger zu Tode reanimiert. Mit dem Ergebnis, dass wir nun nicht nur eine Leiche haben, sondern auch versaute Spuren.»
«Wirklich verargen kannst du das den Hundertvierundvierzigern nicht.» Geigy beugte sich über den Toten. «Oder hättest du vielleicht eine Klage wegen unterlassener Hilfeleistung riskiert? Die kommt garantiert, sollte nach der Obduktion auch nur der Hauch eines Zweifels daran bestehen, dass Morton wirklich tot war, als die Jungs ihn gefunden haben.»
«Schon, wir müssen jetzt einfach nicht nur zehn-, sondern hundertmal überlegen, was wir zur DNA -Analyse nach Bern weiterreichen.»
«Das wird unserem Oberhäuptling gefallen. Du erinnerst dich an den Montagsrapport vor drei Wochen? ‹Bevor Sie das nächste Mal fünfzehn DNA -Analysen à siebenhundert Franken anordnen, benutzen Sie Ihren gesunden Menschenverstand. Der kostet den Steuerzahler wenigstens keinen Rappen.› Der Gute hat nur eine Kleinigkeit vergessen: Was man nicht hat, kann man nicht benutzen.» Bernhard Geigy kniff die Augen zusammen und beugte den Kopf noch etwas tiefer. «Ist unser Banker daran gestorben?» Er zeigte auf die annähernd rechtwinklige Wunde auf dem Schädel des Toten, durch die – trotz des eingetrockneten Bluts – der bleiche Schädelknochen schimmerte. «Die stammt aber nicht von einem Sturz, oder? Und was zum Teufel hat der Kerl mit seinen Ohren gemacht?» Geigy betrachtete nachdenklich zuerst das eine, dann das andere Ohrläppchen,
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