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Im Schatten des Schloessli

Im Schatten des Schloessli

Titel: Im Schatten des Schloessli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Kahi
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«Setz dich lieber und lass uns mit dem Zusammentragen der Fakten beginnen.»
    «Ist ja klar, dass du den Typen verteidigst.»
    «Wenn man dich hört, könnte man meinen, Bernhard hätte dir die Frau weggenommen und nicht umgekehrt.» Nathalie Schnarrenberger, Leiterin Fahndung der Kapo West, liess sich auf den leeren Platz neben Desnoyer fallen. «Wo Bernhard bloss bleibt?»
    «Ich hole ihn.» Bevor einer der Anwesenden auch nur auf die Idee kommen konnte, Unold zurückzuhalten, war er auf dem Weg zu Geigys Büro.
    «Wer war das denn? Wurde euer Team etwa aufgestockt?» Die Leiterin Fahndung fischte ein angebrochenes Zigarettenpäckchen aus der Tasche ihrer Jeansjacke. «Ihr könnt es ruhig zugeben. Aber wenn ich mehr Personal verlange, heisst es immer sparen, sparen, sparen.»
    «Ich dachte, du hättest mit dem Rauchen aufgehört.» Wie sie es auf der Polizeischule gelernt hatte, entwand Iris Häuptlein der Kollegin mit einer einzigen fliessenden Bewegung die Zigaretten. «Was rauchst du überhaupt? ‹Overstolz›. Ohne Filter. Das darf ja wohl nicht wahr sein … Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Das ist keine Aufstockung, das ist ein Praktikant. Neffe des Kommandanten. Du kannst dich also wieder abregen.»
    «Richtig. Ich hab was läuten hören. Erinnert so gar nicht an Bananenrepublik. Wir sind permanent unterdotiert, aber wenn’s um den Neffen vom Chef geht, ist plötzlich Geld da.»
    «Um eines klarzustellen: Ich koste den Staat keinen Rappen.» Unold, der eben hinter Geigy den Bunker betrat, lächelte Schnarrenberger freundlich zu. «Zudem ist eine Korpsgrösse von rund siebenhundert Polizistinnen und Polizisten nicht gerade nichts.»
    «War ja klar. Sie wissen natürlich, wie viele Leute es braucht, damit unsereins seine Arbeit erledigen kann.»
    «Zumindest weiss ich, dass mein Onkel sein Menschenmöglichstes tut, um gemeinsam mit dem Regierungsrat die zeitgemässen und notwendigen Veränderungen innerhalb der Polizeiarbeit umzusetzen. Das betrifft nicht nur, aber auch die personelle Dotierung. Und selbst wenn die Abteilung ‹Leib und Leben› regulär um meine Wenigkeit aufgestockt worden wäre, wäre sie mit ihren fünf Nasen immer noch ein Witz.»
    «Ich störe diesen beeindruckenden Einblick in die Entwicklungen des Aargauer Polizeiwesens ja nur ungern», unterbrach Geigy das Geplänkel, «und nehme zur Kenntnis, dass man meine Abteilung als Witz bezeichnet, aber hat das vielleicht Zeit bis nach der Besprechung?» Er stand am Kopfende des Tisches und umklammerte mit beiden Händen die Rückenlehne seines Stuhls.
    «Keine Ursache, wir haben gern fünfundzwanzig Minuten auf den Herrn Abteilungsleiter gewartet.»
    Geigy sah wütend zu Norberg, enthielt sich aber jeglicher Entschuldigung. «Chris Morton. Ich gehe davon aus, dass ihr alle meine Voicemail mit den wichtigsten Fakten zum Fall abgehört habt. Ebenso zum tragischen Tod von Thomas Sarasin, dessen Frau und dessen», er unterbrach sich, «dessen Tochter. Wir müssen –»
    «‹Leichen pflastern seinen Weg›.» Norberg hatte den Titel des Italowestern scheinbar zu sich selbst gesprochen, doch sein Blick durchbohrte Geigy geradezu.
    Geigy zuckte zusammen. Rasselnd sog er die Luft ein. Seine Arme zitterten, die Fingerknöchel traten weiss hervor. Als er seinen Stuhl fahren liess, war der Knall, mit dem das Gestänge gegen die Tischkante krachte, unnatürlich laut durch den Raum zu hören.
    «Sie armseliger Wicht», zischte Unold. Dann schlug er zu. Wie ein Mehlsack taumelte Norberg nach hinten – geradewegs in die Arme des Staatsanwalts.
    «Hol’s der Teufel», keuchte der überrascht. «Seid ihr jetzt alle verrückt geworden?»
    «Fragen Sie den», stiess Unold gepresst hervor. Für den Bruchteil einer Sekunde sah es aus, als wolle er Norberg noch eine langen. «Würde der nicht mit Geigys Frau rummachen, wäre das alles nicht passiert.»
    «Bin jetzt etwa ich schuld, wenn Bernhard seine Arbeit nicht richtig erledigt und deshalb eine ganze Familie ausgelöscht wird?»
    «Wenn Sie mich so direkt fragen und unbedingt jemandem die Schuld an diesem, sagen wir mal, Ereignis geben wollen – ja.»
    Norberg lachte auf. Laut. Freudlos. «Sie spinnen doch. Genau wie Ihr Chef.»
    Unold ballte die Faust, tat einen Schritt auf Norberg zu.
    «Schon gut.» Besänftigend drückte ihm Geigy die Schulter. Dann wandte er sich um und verliess den Raum.

    Unold hatte damit gerechnet, dass Geigy auf sein Klopfen nicht reagierte. Er zögerte kurz.

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