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Im Schatten des Schloessli

Im Schatten des Schloessli

Titel: Im Schatten des Schloessli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Kahi
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Kopf.
    Johannes trat zum Fenster. «Wozu?»
    «Das kann ich Ihnen zu diesem Zeitpunkt leider nicht verraten. Nur so viel: Es geht um eine Wette.»
    Ein Hustenanfall erschütterte die Stille. «Entschuldigung», krächzte Unold und hielt sich ein Papiertaschentuch vor den Mund. «Ich muss mich verschluckt haben.»
    Geigy hatte inzwischen das Fenster geöffnet.
    Johannes stand an der Brüstung. Sein Brustkorb hob und senkte sich unregelmässig. «Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun», stammelte er.
    «Wir wissen genau, was wir tun», entgegnete Geigy, «und es ist ganz und gar nicht unsere Absicht, Sie ans Kreuz zu schlagen. Also beruhigen Sie sich, werfen Sie den Bumerang, und alles wird gut. Noch etwas: Sehen Sie das lange grüne Werbebanner am Zaun? Es wäre gut für Sie, wenn Sie es träfen.»
    Johannes hob den rechten Arm, stockte und liess ihn wieder sinken. «Wie?»
    «Was, wie?»
    «Wie wirft man so ein Ding?»
    «Machen Sie einfach.»
    «Der Herr stehe mir bei.» Erneut hob Johannes den Arm. Nicht hoch, nur bis knapp unter die Brust. Seine Hand, die den Bumerang umklammert hielt, zitterte. Er drehte das Handgelenk brusteinwärts, schwang den Arm Richtung Banner nach vorn und liess den Bumerang am Ende des Schwunges los. «Jesus Maria!» Mit geweiteten Augen sah er zu, wie sich das Holz statt auf das Werbebanner zu in den Himmel schraubte, dann unkontrolliert auf die Erde zustürzte und schliesslich auf dem braungefleckten Rasen aufschlug.
    «Das war wohl nichts.» Geigy klang zufrieden. «Wollen Sie es noch einmal versuchen?»
    Unold eilte zur Tür, riss sie auf und verschwand auf dem Flur. Das Hallen seiner Schritte, die allmählich in der Ferne verklangen, überdeckte das Ächzen, das sich aus Johannes’ Kehle löste. «Wird der Herr auf ewig verwerfen und hinfort keine Gunst mehr erweisen? Ist zu Ende seine Güte für immer?» Johannes sah Geigy an, als sei dieser im Besitz der erlösenden Antwort.
    «Ein Fehlwurf kann jedem passieren», tröstete Geigy den Verzweifelten.
    Johannes schien mit blinden Augen in eine himmlische Ferne zu starren und unhörbare Worte in sich hineinzumurmeln.
    Vier Minuten später kam Unold in Geigys Büro zurückgetrabt. «Hier, bitte», keuchte er.
    Johannes nahm den Bumerang entgegen. Sein ganzer Körper bebte. Abermals trat er ans Fenster, sammelte sich kurz und warf. Erneut stieg das Holz fast senkrecht in die Höhe und plumpste dann auf den Rasen.
    «Neige zu mir dein Ohr, eilends errette mich!», flehte Johannes.
    «Das wird schon. Wenn Sie mögen, dürfen Sie es noch mal versuchen.»
    * * *
    «Und, was meinen Sie?»
    «Was fragen Sie mich. Sie sind der Vernehmungs- und Verbrechensspezialist.»
    «Menschenkenntnis, Unold. Das ist eine Frage der Menschenkenntnis, und die sollten auch Sie in Ihrem Beruf geschult haben.»
    «Hat was.» Unold gähnte. Er nahm ein Buttercroissant aus dem Weidenkörbchen, das zwischen Geigy und ihm auf dem zerkratzten Holztischchen stand. «Ein geballtes Paket an Kalorien – genau das, was ich jetzt brauche. Übrigens bin ich nicht Ihr Laufbursche. Und eines garantiere ich Ihnen: Beim dreizehnten Mal hätte Johannes den Bumerang selbst holen können.» Genüsslich biss er in das noch warme Gebäck. «Übrigens: gar nicht so übel, die Kantine hier. Wenn ich an das Loch an der Uni denke –»
    «Unold, Ihre Einschätzung bitte.»
    Patrick Unold verdrehte die Augen, machte mit dem Arm eine unbestimmte Geste und kaute hastig. Endlich ruckte sein Adamsapfel kurz auf und ab. «Sorry», stiess er hervor, «aber gründlich kauen ist wichtig.»
    «Heilige Maria, Mutter Gottes, Sie sind die Verkörperung der sieben biblischen Plagen der Aargauer Kantonspolizei. Würden Sie mich jetzt bitte in Ihre Meinung über die Vorstellung von Johannes einweihen?»
    «Er war’s nicht. So wie der den Bumerang in die Hand genommen und geworfen hat, könnte er damit nicht mal eine Fliege töten – weder gezielt noch unabsichtlich.»
    Bernhard Geigy nickte. «Während ich gewartet habe, bis mir Liam den Bumerang besorgt hat, hab ich mich ein wenig schlaugemacht. Was man ganz bestimmt nie tun sollte, ist, den Bumerang wie einen Frisbee werfen. Wozu das führt, hat uns Johannes eindrucksvoll demonstriert. Offenbar wird das Ding gerade über die Schulter geworfen. Hätten Sie das gewusst?»
    «Ich nicht, aber vielleicht Johannes, und er hat uns nur was vorgespielt.»
    «Ausgeschlossen. Es ist ja nicht nur die Sache mit dem Bumerang. Auch seine

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