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Im Schatten des Schloessli

Im Schatten des Schloessli

Titel: Im Schatten des Schloessli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Kahi
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Einvernehmen verliessen die Männer im vierten Stock den Lift und gingen durch den Korridor zum Vernehmungsraum.
    Veronica Rothpletz erwartete sie bereits. Unold war auf alles vorbereitet, nur nicht auf diese stark geschminkte Rothaarige, die statuengleich am Fenster stand.
    «Ich hoffe, Sie mussten sich nicht zu lange gedulden», sagte Geigy und streckte der Frau die Hand hin. «Bernhard Geigy, Kripo Aargau. Und das ist mein Kollege Patrick Unold.»
    Veronica Rothpletz nickte reserviert.
    Irritiert liess Geigy die Hand sinken. «Herzliches Beileid», sagte er dabei, um seine Betretenheit zu überspielen. Hatte er einen Weinkrampf erwartet, wurde er enttäuscht.
    «Danke.» Veronica Rothpletz’ Stimme klang rauchig und ruhig. Zu ruhig für eine Frau, die eben erst erfahren hatte, dass ihr Ehemann ermordet worden war, dachte Geigy.
    «Sie fragen sich bestimmt, warum ich das Ableben meines Mannes so gefasst zur Kenntnis nehme», eröffnete die Urologin das Gespräch, als hätte sie Geigys Gedanken gelesen. Gemessen ging sie zum Tisch und setzte sich auf einen der drei Stühle.
    Geigy und Unold nahmen ihr gegenüber Platz.
    «Etwas erstaunt bin ich tatsächlich. Oder wissen Sie schon länger darum?»
    «Nein.»
    Geigy wartete einige Sekunden. Als sie nicht weitersprach, hüstelte er verlegen. «Sie leben in Chur?» Er war sich bewusst, wie dumm die Frage klang, aber die Emotionslosigkeit der Witwe brachte ihn aus dem Konzept.
    «Etwas dagegen?»
    «Natürlich nicht. Ich frage nur, weil Ihr Mann in Aarau wohnte.»
    «Noch-Mann», korrigierte sie ihn. «Wir lebten getrennt.»
    «Getrennt. Auch Sie.» Geigy schwieg einige Atemzüge lang, als gäbe es nichts hinzuzufügen. «Wann haben Sie ihren Mann zuletzt gesehen?»
    «Am Freitag.»
    «Diesen Freitag? Am Tag seines … als er gestorben ist?» Geigy war aufrichtig überrascht.
    «Ja. Ich hatte Freitagnachmittag einen Termin bei meinem Anwalt. Wegen der Scheidung.»
    «Sie wollten sich scheiden lassen?»
    «Mein Mann wollte sich scheiden lassen.»
    «Und Sie?»
    «Ich dachte nicht im Traum daran.»
    «Warum dann der Anwaltstermin?»
    «Ich sehe schon, von Scheidungen haben Sie keine Ahnung.»
    «Kann ja noch kommen», erwiderte Geigy. Er ruckelte am Kragen seines Hemdes, als bekäme er plötzlich zu wenig Sauerstoff. «Würden Sie bitte die Frage beantworten.»
    «Um mit ihm die Möglichkeiten zu diskutieren, Stephan die Sache auszureden. Und bevor Sie jetzt auf falsche Gedanken kommen: Ich habe meinen Mann nicht umgebracht.»
    «Wie kommen Sie darauf, dass ich das denke?»
    «Ich bitte Sie: Eine Witwe, die kurz nach der Mitteilung, dass man ihren Mann ermordet hat, nicht zusammenbricht, ist immer verdächtig.»
    «Hätten Sie denn einen Grund gehabt, Ihren Mann zu töten?»
    «Welche Frau hätte das nicht?» Veronica Rothpletz lachte kehlig. «Deute ich Ihren Gesichtsausdruck richtig, halten Sie mich jetzt entweder für herzlos oder für pervers.»
    «Welches von beidem trifft zu?»
    Mit dieser Frage hatte die Ärztin augenscheinlich nicht gerechnet. Für Sekundenbruchteile wurde ihr sorgfältig geschminktes Gesicht zur Fratze einer Tschäggättä, jenem furchteinflössenden Wesen, das während der Fasnacht im Lötschental sein Unwesen treibt. «Keines. Ich verliere einfach nicht gern», antwortete sie, als sie sich wieder gefangen hatte.
    «Wer tut das schon.» Geigy lächelte ihr komplizenhaft zu. «Hätten Sie denn verloren?»
    «Ich? Gegen dieses fade Gemüse? Absurd.»
    Obwohl Veronica Rothpletz etwas kleiner als Geigy war, schien es ihm, als blicke sie auf ihn herab. Die geborene Domina, dachte er und errötete. «Welches fade Gemüse meinen Sie denn?»
    «Sie verhören mich doch nicht etwa?»
    «Was für ein abstruser Gedanke. Bei einem Mordfall sprechen wir immer mit den nächsten Verwandten. Sie sind allerhöchstens eine Auskunftsperson oder, falls Sie etwas gesehen haben, eine Zeugin.»
    «Das Häschen, mit dem Stephan die letzten Wochen zusammengewohnt hat», gab sie bereitwillig Auskunft.
    «Wollte er sich ihretwegen von Ihnen scheiden lassen?»
    «Der Mann muss erst noch geboren werden, der mich für so eine verlässt.»
    «Sah Ihr Mann das genauso?»
    Veronica Rothpletz spitzte unwillig die Lippen. «Hören Sie, am Freitag habe ich mit Stephan noch geschlafen. Und ich garantiere Ihnen: Blümchensex sieht anders aus.»
    Schweigen.
    «Stephan Rothpletz war auch nur ein Mann. Dass er mit Ihnen ins Bett ging, muss nicht zwingend heissen, dass er seine neue

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