Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten des Schloessli

Im Schatten des Schloessli

Titel: Im Schatten des Schloessli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Kahi
Vom Netzwerk:
schon nicht sterben, wenn sie sich eine neue Wohnung suchen muss. Oder erwarten Sie von mir, dass ich sie adoptiere?»
    «Sie setzen Frau Winkelried auf die Strasse?», schaltete sich Unold ein, der dem Gespräch bis jetzt stumm gefolgt war.
    «Ach, Winkelried heisst das Geschöpf. Dann ist sein Untergang in der Schlacht sozusagen genetisches Programm.»
    «Eines verstehe ich nicht.» Geigy legte die Fingerspitzen gegeneinander, sodass seine Hände eine Raute formten. «Sie betonen, dass Sie von Ihrem Mann getrennt lebten. Sich von ihm scheiden lassen wollten Sie jedoch nicht. Wirklich erschüttert über seinen Tod scheinen Sie allerdings auch nicht zu sein. Sie haben eine Praxis und wohl auch eine Wohnung –»
    «Ein Penthouse.»
    «… in Chur. Trotzdem verlieren Sie keine Zeit, die Lebensgefährtin –»
    «Das Betthäschen.»
    «… Ihres Mannes aus der Wohnung Ihres Mannes –»
    «Jetzt meiner Wohnung.»
    «… zu werfen. Warum das alles?»
    «Wie gesagt: Ich verliere nicht gern.»

FÜNFZEHN
    «Kalt wie eine Hundeschnauze. Wer mit der ins Bett geht, nimmt das Heizkissen am besten gleich mit.»
    «Ich muss doch sehr bitten.» Geigy blickte tadelnd auf Unold. Die Dominaphantasie von vorhin fiel ihm wieder ein, und es durchschauerte ihn heiss. Er kredenzte sich einen Steinhäger und noch einen und noch einen.
    Die Minuten verrannen.
    «Johannes bringt Morton um, und die Rothpletz tötet Stephan. Eigentlich steht es gar nicht mal so schlecht um unsere Ermittlungen», sagte Unold in die Stille hinein.
    «Wir sind nicht in einem Dienstagabend-Krimi.»
    «Wie meinen Sie das?»
    Geigy lehnte sich auf seinem Bürostuhl so weit zurück, dass der – auf zwei Beinen balancierend – gefährlich nach hinten kippte. «Dort sage ich mir jedes Mal, der Hauptverdächtige und die berechnende Ehefrau waren’s nicht, und dann waren sie’s eben doch.»
    «Ja und?»
    «Nichts und.» Polternd kam der Stuhl wieder mit allen vier Beinen auf dem Fussboden zu stehen. «Von einer Ehefrau hat die Winkelried am Freitag nichts gesagt?»
    «Was fragen Sie mich. Häuptlein und Desnoyer waren vor Ort.»
    «Das war eine rhetorische Frage. Im Bericht von Iris und Gilles war keine Rede davon. Es fragt sich, warum?»
    «Vielleicht, weil die Frau zu dem Zeitpunkt andere Sorgen hatte, als an die Ex zu denken? Wenn keine zehn Meter von einem entfernt der Partner ermordet wird, steht man für gewöhnlich unter Schock.» Unold atmete schwer.
    «Jetzt beruhigen Sie sich und reduzieren Sie Ihren ritterlichen Verteidigungsimpuls auf ein erträgliches Mass.»
    «Ist doch wahr.»
    «Es ist aber auch wahr, dass es befremdlich ist, dass die Winkelried die Noch-Ehefrau mit keinem Wort erwähnt hat. Immerhin haben Iris und Gilles explizit nach der Lebenssituation von Rothpletz gefragt.» Geigy goss sich einen weiteren Steinhäger ein und kippte ihn hinunter. «Mal sehen, ob sie sich jetzt daran erinnert und ob sie eine gute Erklärung für ihren Blackout hat. Im Augenblick stinkt es für mich förmlich nach einem Verschleiern der Tatsachen.»
    «Sie verdächtigen doch nicht etwa Flora … ich meine Frau Winkelried, ihren Freund umgebracht zu haben?»
    «Einstweilen stelle ich nur fest, dass Flora Winkelried etwas verschweigt. Und ich will wissen, weshalb.»

    «Habe ich es Ihnen nicht gesagt? Sie ist hier!»
    Geigy ächzte. Auch Unold fühlte sich von der Hitze, die zwischen den Häusern waberte, geradezu niedergewalzt. Unwillkürlich fiel ihm Musils «Mann ohne Eigenschaften» ein. Er hatte keine Ahnung, ob sich im gegenwärtigen Moment ein barometrisches Minimum über dem Atlantik befand und – falls ja – ob sich dieses nach Osten auf ein über Russland lagerndes Maximum zubewegte. Er wusste nur eines mit Bestimmtheit: Im Gegensatz zum berühmten Anfang des Jahrhundertromans stand die aktuelle Lufttemperatur alles andere als in einem ordnungsgemässen Verhältnis zur mittleren Jahrestemperatur. Vielmehr war es unnatürlich schwül und drückend.
    «‹Floras vegane Welt›», deklamierte Geigy die Inschrift auf dem weissen Kubus mehr, als dass er sie las. «Und da geht jemand hin?»
    «Wonach sieht’s denn aus?» Unold wies zu den platanenüberschatteten Tischchen. Der Theke zunächst sassen vier ältere Männer, etwas weiter links zwei halb nackte Teenager, deren bauchfreie Tops die prallen Brüste gleichzeitig verhüllten und präsentierten.
    «Überlaufen ist anders. Und vielleicht hat man denen ja was gezahlt … Ich nehme an, die da ist das

Weitere Kostenlose Bücher