Im Schatten des Teebaums - Roman
das musste sie zugeben – sympathisch.
Eliza fiel ein Stein vom Herzen. »Ich danke Ihnen!«, sagte sie überschwänglich.
Tilly schaute an ihr vorbei zu Noah, der Elizas Koffer ablud. »Möchten Sie auf ein Tässchen Tee hereinkommen, Noah?«
»Nein, danke, Miss Sheehan. Ich möchte ein Bild fertig malen, an dem ich seit einiger Zeit arbeite.«
»W ie Sie wollen. Aber warten Sie einen Augenblick, ich hab noch was für Sie.« Tilly verschwand im dunklen Flur.
»V ielen Dank, dass Sie mich hergefahren haben, Noah.« Eliza ging zu ihm, öffnete ihre Handtasche und kramte nach einem Geldstück. »Ich würde mich gern erkenntlich zeigen.«
Noah machte eine abwehrende Handbewegung. »Das ist nicht nötig. Es war mir ein Vergnügen, mich mit Ihnen zu unterhalten, Eliza.«
»Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite«, sagte Eliza aufrichtig. »Es tut mir leid, dass Sie meinetwegen aus der Arbeit gerissen wurden. Ich hoffe, Sie werden mir eines Tages Ihre Bilder zeigen.«
Noah schaute sie überrascht an. Dann legte sich ein erfreuter Ausdruck auf sein Gesicht. »Sie können mich jederzeit besuchen, Eliza. Ich wohne am Ende der Straße hinter dem Railway Hotel.«
»Bevor ich abreise, komme ich auf jeden Fall vorbei«, versprach sie.
Tilly trat aus der Tür, ein Einkaufsnetz mit einem Topf Marmelade und einem frisch gebackenen Laib Brot in der Hand. »Das ist für Sie, Noah«, sagte sie und reichte ihm das Einkaufsnetz.
»V ielen Dank, Miss Sheehan!« Noah freute sich sichtlich. »Niemand macht so gute Pflaumenmarmelade wie Sie!«
»Nichts zu danken. Möchten Sie nicht doch auf eine Tasse Tee bleiben?« Noah war der einzige Mensch, den Tilly als Freund bezeichnen würde. Sie hatte zwar einige Bekannte, aber niemanden, mit dem sie Umgang pflegte. Noah war wie sie, ein Einzelgänger und Ausgestoßener; deshalb verstanden sie sich so gut. Darüber hinaus teilte Tilly seine Liebe zur Malerei.
»Ich will lieber zurück und weiterarbeiten«, sagte Noah. »Sie wissen ja, wie das ist.«
»Aber ja. Dann beeilen Sie sich!«
Noah wendete seinen Karren und kletterte hinauf. »Auf geht ’ s, Billy, nicht so lahm«, rief er seinem Esel zu und schnalzte mit den Zügeln. Der Esel machte einen Satz und trabte los.
»W as würde ich nur ohne Noah anfangen«, meinte Tilly, die ihm nachschaute, als der Karren in einer Staubwolke davonrollte. »Er ist ein hilfsbereiter Mann. Jedes Mal fährt er meine Einkäufe von der Stadt nach Hause, aber er weigert sich strikt, Geld von mir zu nehmen.«
»V on mir wollte er auch keins«, sagte Eliza.
»Das wundert mich nicht. Ein Glück, dass er meine eingekochten Früchte mag. So kann ich ihm wenigstens etwas Gutes tun und mich ein klein wenig revanchieren.« Tilly streifte Eliza mit einem Seitenblick. Ihre Miene verdüsterte sich. Wieso hatte sie sich breitschlagen lassen? Sie bereute es jetzt schon. Der Gedanke, eine Fremde unter ihrem Dach zu beherbergen, stimmte sie mit einem Mal mürrisch. »Kommen Sie«, forderte sie Eliza barsch auf.
Die junge Frau folgte ihr durch einen langen Flur, vorbei an mehreren Türen, in ein Wohnzimmer, an das sich seitlich eine Küche anschloss. Es war keineswegs so düster im Haus, wie Eliza erwartet hatte. Das Wohnzimmer war gemütlich eingerichtet, durch ein großes Fenster konnte man auf eine Veranda und einen Gemüse- und Obstgarten schauen. Große, farbenfrohe Tierbilder schmückten den Raum. Eliza fragte sich, ob Noah sie gemalt hatte.
»Meine Güte, das ist ja ein Riesenkoffer«, bemerkte Tilly, als sie sah, wie schwer Eliza zu schleppen hatte. »W ie lange wollen Sie denn bleiben?« Hoffentlich nicht so lange, wie der Koffer vermuten lässt, fügte sie stumm hinzu.
Eliza, die Tillys Gedanken erriet, beruhigte sie: »Nur bis ich eine gute Story für meine Zeitung habe. Ein paar Tage, schätze ich. Ich bin Ihnen wirklich dankbar, dass ich bei Ihnen wohnen darf. Da fällt mir ein … ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich heiße Eliza.« Sie streckte die Hand aus.
Tilly zögerte einen Sekundenbruchteil, ehe sie Eliza die Hand gab. »W illkommen im Hanging Rocks Inn, Eliza …«
»Dickens. Aber sagen Sie bitte Eliza zu mir.«
Tilly riss Mund und Augen auf und ließ Elizas Hand so schnell los, als hätte sie sich daran verbrannt. »Dickens? Sie sind nicht zufällig verwandt mit Richard Dickens?«
Verwundert über Tillys Reaktion, antwortete Eliza: »Er ist mein Vater. Warum? Kennen Sie ihn?«
Alle Farbe wich aus Tillys Gesicht. Die Knie
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