Im Schatten des Teebaums - Roman
geheiratet, und sie haben zwei Töchter.« Sie konnte die Verbitterung, die sie empfand, nicht verhehlen.
George sah, dass ihr Schmerz noch immer so stark war, wie er vor zwanzig Jahren gewesen sein musste. »Richard bereut es, Henrietta geheiratet zu haben. Es war eine öde, kalte Verbindung ohne tiefere Gefühle.«
Tillys Augen weiteten sich. »W oher weißt du das?«
»Er hat es mir erzählt, und ich glaube ihm.«
»W ann hat er es dir gesagt?«
»Als ich zu ihm und Henrietta gefahren bin, um ihnen zu sagen, dass Eliza noch ein paar Tage in Tantanoola bleibt. Richard hat nach dir gefragt. Ich konnte sehen, dass er sehr aufgewühlt war, deshalb habe ich von ihm wissen wollen, warum er dich damals hat gehen lassen. Er sagte, du hättest ihn verstoßen.«
»Aber sein Herz blieb nicht sehr lange gebrochen, nicht wahr?«
»Er gibt zu, dass er schwach gewesen ist. Wenn ich recht verstanden habe, war Henrietta damals zur Stelle, hat ihn getröstet und ihm geholfen, und dann sind sie in eine Beziehung gerutscht. Aber es ist offensichtlich, dass Richard es bitter bereut, dich aufgegeben zu haben.«
»Ich glaube nicht, dass er unglücklich gewesen ist«, sagte Tilly.
»Du willst es nicht glauben«, sagte George.
»Stimmt, das will ich nicht. Was ich getan habe, war nur zu seinem Besten«, sagte Tilly und ging eilig davon. Sie wollte nie mehr über den »Unfall« nachdenken.
Henrietta war an diesem Morgen früh auf den Beinen und voller Entschlusskraft. Sie frühstückte allein, da Richard aus dem Haus gegangen war, um einem Nachbarn bei einer fohlenden Stute zu helfen. Nach dem Frühstück machte Henrietta sich auf den Weg in die Stadt zur Border Watch , um nach George zu suchen.
»Guten Morgen, Miss Hudson«, sagte sie, als sie das Büro betrat. Sie wollte an dem Mädchen vorbei und zu Georges Büro.
Bethany richtete sich auf, als sie Henrietta erkannte, die nicht gerade zu ihren besten Freundinnen in der Stadt zählte. Es hatte Bethany noch nie gefallen, wie Henrietta stets auf sie herabschaute. »Guten Morgen, Mrs. Dickens«, sagte sie eisig, ohne sich von ihrem Platz zu erheben, um Henrietta zu folgen. »Falls Sie auf der Suche nach Mr. Kennedy sind, der ist nicht in der Stadt.«
Henrietta blieb wie angewurzelt stehen, eine Hand auf dem Knauf von Georges Bürotür. »Er ist nicht in der Stadt? Wo ist er denn?«
»Kann ich vielleicht irgendetwas für Sie tun, Mrs. Dickens?«, fragte Bethany, ihre goldenen Locken über die Schulter zurückwerfend.
»Mit Sicherheit nicht. Ich möchte mit George sprechen.«
»Nun, wie ich bereits sagte, er ist nicht da.« Bethany strich ihren Rock glatt und wandte sich wieder ihrer Schreibarbeit zu, ohne weiter auf Henrietta zu achten.
In Henrietta stieg Zorn auf. »W ann ist er zurück?«, fragte sie mit Nachdruck.
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Bethany; sie würdigte Henrietta kaum eines Blickes.
»Sie müssen es doch ungefähr sagen können«, fauchte Henrietta. »Heute? Morgen? Übermorgen?«
»Mr. Kennedy hat sich leider nicht dazu geäußert«, sagte Bethany ungerührt. »Aber ich bin sicher, er wird es mich rechtzeitig wissen lassen.«
»Das ist nicht genug! Was ist mit Eliza? Wann wird sie zurückerwartet?«
Bethany kniff vor Ungeduld die Lippen zusammen. »Es tut mir leid, ich weiß es nicht!«, sagte sie zornig und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu.
Henrietta konnte nicht glauben, dass ihre Pläne schon jetzt zunichte gemacht worden waren. Trotz und Zorn loderten in ihr auf. Sie würde Clive nicht enttäuschen, egal was sie dafür tun musste! Selbst wenn das hieß, in einen Zug nach Tantanoola zu steigen, um ihre Töchter zu sehen! Wutentbrannt stürmte sie aus dem Büro. Normalerweise hätte sie George von Bethanys Unhöflichkeit berichtet, aber sie hatte nicht die Absicht, noch viel länger in der Stadt zu bleiben.
Bethany sah ihr mit funkelndem Blick nach, verdrehte die Augen und zuckte zusammen, als die Bürotür zuknallte.
Innerlich aufgewühlt, schlug Henrietta den Weg zum Bahnhof ein. Sie musste ihren Töchtern sagen, dass sie die Stadt verlassen würde. Einfach so verschwinden konnte sie nicht. Und sie würde es auf keinen Fall Richard überlassen, zu erklären, warum sie gegangen war.
Henrietta ging in dem Augenblick an Greenslade ’ s Fleischerei vorüber, als Marty aus dem Geschäft kam.
»Guten Morgen, Henrietta«, sagte er.
»Morgen«, murmelte Henrietta knapp, in Gedanken eine Million Meilen weit weg, oder zumindest mehrere
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