Im Schatten des Teebaums - Roman
in aller Frühe und ging zur Hütte von Mannie Boyd. Beide hatten in dieser Nacht nur wenig geschlafen. Alistair war ziemlich sicher, dass die Geschichte von der Tigergrube auf Milligans Land nur eine Erfindung war, aber er durfte kein Risiko eingehen. Falls Mannie Recht behielt, würde er sich eine so fantastische Story nicht von Eliza Dickens wegschnappen lassen.
Mannie wiederum wusste, dass der Reporter ihm nicht glaubte, und er wollte den Verdacht, ein Lügner zu sein, nicht auf sich sitzen lassen. Schließlich gab es die Tigergrube wirklich.
Die beiden Männer machten sich schweigend auf den Weg. Sie waren nicht die Einzigen, die die Richtung zu Jocks Farm einschlugen: Farmer aus der Umgebung brachten ihre Erzeugnisse und ihr Vieh zur Landwirtschaftsausstellung zu ihm hinaus.
Die Sonne ging auf, als der Reporter und der Fallensteller die Farm erreichten.
»Und, wo ist die Grube jetzt?«, fragte Alistair, als sie auf der Koppel standen, auf der sich angeblich die Falle befand.
Mannie drehte sich um die eigene Achse und schaute sich verwirrt um. Der Erdhaufen war verschwunden. »Gestern Abend war sie noch da«, beteuerte er, während er sich zu orientieren versuchte.
In diesem Moment entdeckte Jock die beiden und eilte zu ihnen. »W as habt ihr hier zu suchen?«, knurrte er.
»Der Erdhaufen und die Grube – wo sind sie? Gestern Abend hab ich sie noch gesehen!« Mannie kam sich dumm vor.
»Ich hab keine Ahnung, wovon du redest«, erwiderte Jock mit unbewegter Miene. Er hatte noch in der Nacht damit begonnen, die Grube wieder zuzuschütten, und auch weitergemacht, als Regen eingesetzt hatte. Es war eine Heidenarbeit gewesen, die ihn mehrere Stunden gekostet hatte, aber er hatte kein Risiko eingehen wollen.
»Hier war gestern eine Grube, und ich bin hineingefallen!«, sagte Mannie aufgebracht. »Du hast eine Leiter geholt, damit ich rausklettern konnte. Also, wo ist sie?« Abermals sah er sich um. Er hätte schwören können, dass die Grube genau an dieser Stelle gewesen war.
»Ich weiß nichts von einer Grube.« Jock schüttelte den Kopf. »Du bist wahrscheinlich in den Graben neben der Zufahrt gefallen. Du warst ja sternhagelvoll.«
»Du leugnest also nicht, dass du mich gesehen hast«, hakte Mannie sofort nach und kam sich sehr schlau vor.
»W arum sollte ich? Als ich dich fand, habe ich dir gesagt, du sollst von meinem Land verschwinden.«
Alistair wandte sich Mannie zu und funkelte ihn zornig an. »Sie haben mich für nichts und wieder nichts hierher geschleppt«, sagte er wütend. »Das hätte ich mir denken können!« Kopfschüttelnd stapfte er davon. Er kam sich wie ein Volltrottel vor.
Jock warf Mannie einen düsteren Blick zu und ließ ihn stehen. Mannie fühlte sich zutiefst gedemütigt. Er hatte sich den Sturz in die Grube bestimmt nicht eingebildet, da war er sich ganz sicher. Er hatte ja sogar Blutergüsse davongetragen, und sein Gewehr war auch weg. »Das wirst du mir büßen, Jock Milligan, verlass dich drauf«, murmelte er hasserfüllt.
Es war noch dunkel an diesem Samstagmorgen, als Tilly die ersten Kutschen, Buggys und Pferde am Haus vorbeiziehen hörte. In den nächsten Stunden würden auch mehr Züge als sonst verkehren. Sie war schon früh aufgestanden, um die Hühner zu füttern und sie anschließend in ihre Transportkörbe zu stecken. Das Gemüse, das Tilly ausstellen wollte, holte sie immer ganz zum Schluss aus dem Garten, damit es möglichst frisch war. Auch Eliza war schon früh auf den Beinen. Sie bereitete das Frühstück, während Tilly draußen beschäftigt war. Eliza würde es sich nicht nehmen lassen, ihre Tante zur Landwirtschaftsausstellung zu begleiten. Da Tilly ihre Hühner und ihr Gemüse auf Nells Rücken packen und zu Fuß gehen würde, wollte sie frühzeitig aufbrechen.
Tilly sortierte gerade das frisch geerntete Gemüse, als Brodie aus dem Haus trat. Er ging zu ihr und fragte nichts ahnend: »Soll ich Ihnen Nell vor den Wagen spannen?«
Tilly wurde blass. »Nein, danke, ich … gehe zu Fuß«, stammelte sie.
»Zu Fuß?«, wiederholte Brodie verwirrt. »W ie wollen Sie denn das viele Zeug zur Ausstellung schaffen?«
»Ich packe alles auf Nell.« Auf Noah konnte sie nicht zählen, weil der sich in der Stadt ein bisschen was dazuverdiente, indem er mit seinem Karren Waren transportierte.
»Aber wieso denn? Sie haben doch einen Wagen.« Brodie hatte ihn sich am Tag zuvor angeschaut. Moos lugte zwischen den Achsen hervor; der Wagen wurde also nicht oft
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