Im Schatten des Teebaums - Roman
ihm nicht die Wahrheit gestehen. »Nein, mir ist nichts aufgefallen«, log sie.
»Gut. Ich will nichts über diese Pfotenabdrücke in der Zeitung lesen«, sagte Brodie, wobei er von George zu Eliza blickte. »Matilda kann hier keine Horde Schaulustiger gebrauchen, die ihre Nase in alles hineinstecken.«
»Ich gebe mein Wort, dass nichts darüber geschrieben wird«, sagte George. »W eder von mir noch von Eliza.«
»Ich danke euch«, sagte Tilly.
»Fährst du heute wieder zur Austellung in die Stadt, Tante Tilly?«, fragte Eliza, um endlich das Thema zu wechseln.
»Ja. Von den Mitgliedern des Komitees für die Landwirtschaftsausstellung wird erwartet, dass sie anwesend sind. Aber es besteht kein Grund zur Eile.«
»Ich begleite dich«, sagte Eliza. Sie wandte sich an ihren Chef. »W enn der Tiger von jemandem in der Stadt gesehen wurde, wird es sich rasch herumsprechen.«
»Das stimmt. Also gut, Eliza. Mischen Sie sich unters Volk, und stellen Sie Fragen. Mal sehen, was Sie erfahren können«, sagte George. »Ich muss heute den Zug zurück nach Mount Gambier nehmen. In der morgigen Ausgabe möchte ich einen Bericht über die Landwirtschaftsausstellung bringen. Und ich werde mir den Artikel ansehen, den Sie mir am Freitagabend geschickt haben, Eliza.« George warf einen Blick auf Tilly. »Ich bin dir wirklich sehr dankbar, dass ich hier übernachten durfte, Matilda.«
»Ich bin froh, dass du gekommen bist, George. Es war mir ein Vergnügen, dich hier bei uns zu haben.« Tilly errötete wie ein Schulmädchen. Es hatte ihr gut getan, mit jemandem über die Vergangenheit zu reden; es hatte sogar ihre Einstellung zum Leben verändert – zwar nur ein ganz klein wenig, aber auf sehr bedeutsame Weise.
»Ich habe meinen Aufenthalt hier sehr genossen«, sagte George. »V ielleicht kann ich ein andermal wieder zu Besuch kommen.«
»Jederzeit, und das meine ich ehrlich. Aber ich hoffe, du wirst Eliza noch ein bisschen länger bei mir bleiben lassen. Ich bin sicher, sie wird dir eine gute Story liefern.«
George erkannte, dass es Matilda sehr viel bedeutete, Eliza bei sich zu haben. »In Ordnung. Ich kann sie noch ein paar Tage entbehren.« Er dachte bereits daran, am nächsten Wochenende vielleicht wiederzukommen.
In diesem Augenblick erschien Katie. Sie wirkte noch völlig verschlafen. »Guten Morgen allerseits«, rief sie von der Hintertür. »Fährst du heute Morgen in die Stadt, Eliza?« Katie hatte von einem gewissen jungen Reporter geträumt und brannte darauf, ihn wiederzusehen.
»Ja, mit Tante Tilly«, erwiderte Eliza ein wenig ungehalten. Sie wusste genau, warum ihre Schwester unbedingt in die Stadt wollte, und sie war nicht gerade erfreut darüber.
»W ann geht es denn los, Tante?«, fragte Katie aufgeregt. Sie dachte bereits darüber nach, was sie anziehen sollte.
»In einer halben Stunde«, antwortete Tilly. Sie versuchte zu verdrängen, was Katie am Abend zuvor gesagt hatte. Man konnte nicht ändern, was das Mädchen von ihr dachte; außerdem war Katie Henriettas Tochter und nicht ihre. Sie wandte sich an Brodie. »W erden Sie uns begleiten?«
»Ja. Vielleicht hat jemand den Tiger in der Nacht gesehen, obwohl ich da meine Zweifel habe.«
»W ir nehmen doch den Wagen, oder?«, bettelte Katie. Die Vorstellung, in ihren guten Schuhen zwei Meilen laufen zu müssen, gefiel ihr ganz und gar nicht.
»Nein«, sagte Tilly rasch.
»W as?« Katie riss die Augen auf. »W arum können wir denn nicht den Wagen nehmen?«
»Ich könnte Nell vor den Wagen spannen«, schlug Brodie vor. »Dann würde die Fahrt für uns alle bequemer.«
Tilly sah ihn bestürzt an. Sie war zwar am Tag zuvor mit dem Wagen gefahren, das hieß aber nicht, dass sie ihre Ängste schon überwunden hatte. Nun suchte sie verzweifelt nach einem Vorwand, besser zu Fuß zu gehen. Doch so fieberhaft sie auch nachdachte, ihr fiel nichts ein.
George wusste, dass die Postkutsche die Ursache für Tillys Furcht war. »Ich werde an deiner Seite sein, Matilda«, sagte er. »Aber wenn du lieber zu Fuß gehen möchtest, ist das natürlich in Ordnung.«
»Nein, ist schon gut. Wir können den Wagen nehmen«, gab Tilly klein bei, dankbar für sein Verständnis. Sie warf einen Blick auf Brodie. »Sie werden den Wagen doch auch auf dem Rückweg fahren?« Sie stellte sich vor, neben George zu sitzen oder auf der Rückfahrt zwischen ihren beiden Nichten. So würde sie die Fahrt schon ertragen können – solange sie nur die Räder nicht sah.
»Ja, sicher«,
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