Im Schatten des Teebaums - Roman
was dir am liebsten und teuersten war. Ich hingegen habe nur ein hübsches Gesicht verloren.«
George war schockiert von ihrem Kommentar. »Du solltest nicht herunterspielen, was du durchgemacht hast, Matilda. Nicht mir zuliebe. Ich war nur ein junger Reporter, als du deinen Unfall hattest, aber ich werde es niemals vergessen. Dass du den Schmerz und das Trauma überstanden und dir dabei deinen gesunden Verstand bewahrt hast, macht dir alle Ehre.«
»Manchmal bin ich mir nicht so sicher, was meinen gesunden Verstand betrifft«, sagte Matilda mit einem verlegenen Lächeln. »Im Ernst, George, ich spiele nicht herunter, was ich durchgemacht habe, aber ich musste mal daran erinnert werden, dass manche Leute viel Schlimmeres hinter sich haben als ich, und mit Selbstmitleid kann ich nichts erreichen. Du hast mir vor Augen geführt, dass es vieles gibt, wofür ich dankbar sein muss. Ich habe ein schönes Zuhause, ein gutes Leben, meine Freunde, meine Tiere … und ich leiste einen Beitrag zum Gemeindeleben in der Stadt. Ich sollte endlich aufhören, der Vergangenheit nachzutrauern. Und jetzt«, sagte sie lächelnd, »w as hättest du gern zum Frühstück?«
Als Eliza aufstand, spazierten George und ihre Tante bereits durch den Obstgarten und redeten und lachten über die alten Zeiten, während Brodie Chandler hinter dem Haus in der Nähe des Gemüsegartens Spuren untersuchte, fast an derselben Stelle, an der Eliza ihre beängstigende Begegnung mit dem fremdartigen Wesen gehabt hatte.
»W as tut er denn da?«, murmelte sie. Hatte das Tier, das sie gesehen hatte, Abdrücke von Pfoten oder Tatzen hinterlassen? Sie beobachtete Brodie ein paar Minuten lang, bis Tilly und George sich zu ihm gesellten. Eliza schlich zur Hintertür, um zu hören, was Brodie entdeckt hatte. Sie wusste, dass ihr Chef ihn fragen würde. George war zu lange Reporter gewesen, um seine Zunge im Zaum halten zu können.
Seltsamerweise war es Tilly, die als Erste das Wort ergriff. »W as sehen Sie sich denn da an, Brodie?«, wollte sie wissen.
Brodie wollte sich nur ungern äußern.
»Es sind Tierspuren, stimmt ’ s?« George beugte sich hinunter, um sie genauer zu betrachten.
»Ja, so ist es«, sagte Brodie leise. Er richtete sich auf und sah sich um.
»Sind die Spuren vom Tiger?«, fragte Tilly, beunruhigt von dem Gedanken, dass ein solch gefährliches Tier so nahe an ihrem Haus gewesen war.
»Schwer zu sagen«, entgegnete Brodie vorsichtig. Er wollte vor George nicht allzu viel preisgeben. Doch die Spuren ähnelten anderen, die er gesehen hatte, auch wenn er sicher war, dass sie nicht von einem Tiger stammten. Aber von was für einem Tier waren sie dann? Brodie wusste es nicht. Die Spuren waren ganz anders als alles, was er bisher gesehen hatte.
»Mit deinen Hühnern und Ziegen war heute Morgen alles in Ordnung, Matilda, oder?«, fragte George.
»Ja, alles bestens«, sagte Tilly mit einem Blick auf die Gehege. »Eliza hat die Ziegen über Nacht in den Stall gesperrt, und der Draht des Hühnergeheges war unversehrt. Ich glaube nicht, dass ein Tier versucht hat, hier einzudringen.«
»W as immer diese Spuren hinterlassen hat – irgendetwas oder irgendjemand muss es verscheucht haben«, sagte Brodie. Er konnte sich schon denken, wer es gewesen war.
»Sheba scheint heute Morgen nicht sie selbst zu sein«, sagte Tilly mit einem Blick auf die Hündin, die unruhig den Boden beschnüffelte und dann zurück zur Veranda lief, wo sie sich in eine Ecke kauerte. »W enn ich es mir recht überlege, kam Sheba mir gestern Abend schon ein wenig verängstigt vor, als sie ins Haus kam. Ich dachte, es wäre wegen der vielen neuen Gesichter, aber vielleicht hat irgendetwas hier draußen sie in Angst versetzt.«
Als Brodie aufblickte, sah er Eliza an der Hintertür stehen. »Eliza!«, rief er.
Eliza trat ins Freie. »Guten Morgen«, sagte sie betont lässig und versuchte, ihre Nervosität zu überspielen. Brodie hatte sie bereits zurechtgewiesen, als sie ihm nichts von den Pfotenabdrücken gesagt hatte, die sie neben dem Höhleneingang gesehen hatte; deshalb konnte sie jetzt unmöglich erwähnen, dass genau an der Stelle, an der er stand, ein seltsames, bedrohliches Tier gekauert hatte.
»Ist Ihnen gestern Abend etwas Ungewöhnliches aufgefallen, als Sie hinausgegangen sind, um Sheba zu holen?«, fragte Brodie.
»Etwas Ungewöhnliches?«, fragte Eliza ausweichend. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie wich seinem Blick aus. Im Moment konnte sie
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