Im Schatten des Teebaums - Roman
sagte Brodie.
Wenig später brachen sie auf. Tilly saß zwischen Brodie und Eliza, während George und Katie hinten Platz genommen hatten. Sie hatten das Ende der Auffahrt noch nicht erreicht, als Sheba ihnen bellend hinterherlief.
»Du bleibst, Sheba«, rief Tilly. Sie hatte Angst, die Hündin könnte unter die Räder des Wagens kommen. »Lauf nach Hause!«
Sheba dachte gar nicht daran.
»Ich weiß nicht, was mit ihr los ist«, sagte Tilly verärgert und bat Brodie anzuhalten. Sie überlegte, ob sie die Hündin ins Haus sperren sollte.
»Kann sie denn nicht mitkommen, Tante?«, fragte Eliza. »Sie hat bestimmt Angst, weil …« Im letzten Augenblick verkniff sie sich, das Furcht erregende Tier zu erwähnen, das sie am Abend zuvor gesehen hatte.
»Es werden viele Leute in der Stadt sein, und ich kann Sheba nicht ständig im Auge behalten«, sagte Tilly.
Eliza wusste, dass die Hündin am Abend zuvor schreckliche Angst gehabt hatte, genau wie sie selbst. »Ich werde auf sie aufpassen, Tante«, versprach sie.
»Na schön. Aber du nimmst sie besser an die Leine. Die Leine hängt in der Sattelkammer, neben den Pferdebürsten.«
Eliza stieg vom Wagen und lief zur Sattelkammer, Sheba hielt sie dicht bei sich.
»Da fällt mir ein … Ich glaube, ich hab die Leine woandershin gehängt. Ich helfe Eliza beim Suchen«, sagte Brodie. Ihm war Elizas Beinaheausrutscher nicht entgangen, und er wollte der Sache auf den Grund gehen. Er reichte George die Zügel und stieg vom Wagen.
Eliza war in der Sattelkammer und sah sich nach der Leine um, als Brodie hereinkam. »Sie haben gestern Abend irgendetwas gesehen, stimmt ’ s?«, überrumpelte er sie.
Eliza fuhr erschrocken herum, eine Hand auf dem Herzen. »W ie kommen Sie darauf?«, fragte sie atemlos. Sie konnte spüren, wie ihr die Röte heiß in die Wangen stieg.
»Sie sind besorgt wegen Sheba, und die Hündin ist sehr unruhig. Behalten Sie das, was Sie gesehen haben, vielleicht für sich, damit Sie es in Ihrem Zeitungsartikel bringen können?«
In Eliza stieg Zorn auf. Wie konnte er sie für so durchtrieben halten? Sie war enttäuscht, dass er so schlecht von ihr dachte. »Unsinn. Ich habe keinen Tiger gesehen, ich schwöre es.« Sie sprach die Wahrheit: Was sie gesehen hatte, war zwar Furcht einflößend gewesen, aber mit Sicherheit kein Tiger.
»W as haben Sie dann gesehen?«
»Nur ein … einen Nachbarshund. Sheba schien ihn nicht zu mögen, aber meine Tante sagt, sie würde läufig und dass andere Hunde sich in ihrer Nähe herumtreiben.«
»W arum haben Sie nicht gesagt, dass Sie einen Nachbarshund gesehen haben, wenn es bloß das war?«, forschte Brodie nach.
»Ich … wollte meine Tante nicht beunruhigen. Sie will nicht, dass Sheba Welpen bekommt.«
Brodie betrachtete sie einen Augenblick, ehe er nach der Leine griff, die hinter Eliza an einem Haken hing. Wortlos reichte er sie ihr. Als er so nahe vor ihr stand und ihr in die Augen schaute, schlug Elizas Herz plötzlich schneller. Ein paar Sekunden lang blickten sie einander schweigend an. Eliza sah, dass Brodies Blick zu ihren Lippen schweifte. Würde er sie küssen? Der Gedanke war erregend und beängstigend zugleich.
»Die anderen warten«, flüsterte Eliza atemlos.
Brodie trat widerstrebend zur Seite, um sie vorbeizulassen. Er hatte sie küssen wollen und war sich sicher gewesen, dass auch Eliza es gewollt hatte. Er nahm sich vor, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Sich mit Eliza einzulassen würde ihm die Arbeit erschweren. Und er war schließlich hier, um den Tiger zu jagen.
Während Eliza mit weichen Knien zum Wagen ging, fragte sie sich, was soeben zwischen ihr und Brodie geschehen war. Ihr wurde bewusst, dass sie von ihm geküsst werden wollte – und dass Brodie es getan hätte, hätte sie nicht im letzten Augenblick gekniffen.
Als sie in die Stadt fuhren, unterhielt Tilly die anderen mit Geschichten über die Tricks und Schliche mancher Farmer, um bei der Landwirtschaftsausstellung einen Preis zu gewinnen. Tillys Nervosität war unüberhörbar, doch George war der Einzige, der wirklich wusste, weshalb.
Ungefähr auf halbem Weg in die Stadt begann Tilly, sich ein wenig zu entspannen. »Es sind nur Gerüchte, aber vor ein paar Jahren stand eine Nachbarin von mir, Millie Anderson, im Verdacht, Clara Beaumonts Hennen am Tag der Landwirtschaftsausstellung mit scharfen roten Chilisamen gefüttert zu haben. Ihr könnt euch denken, was passiert ist? Der Chili ist den Hühnern auf den Magen geschlagen,
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