Im Schatten des Vaters
noch köstlich. Roy aß mit geschlossenen Augen.
Hör auf zu summen, sagte sein Vater.
Hm?
Du summst beim Essen. Das machst du immer, und das macht mich wahnsinnig. Iss einfach.
Also versuchte Roy, nicht zu summen, wobei er überhaupt nicht gewusst hatte, dass er das tat. Er wünschte, er könnte einfach seine Stücke mitnehmen und irgendwo anders alleine essen, ohne sich darum kümmern zu müssen.
Als sie satt waren, hatten sie mindestens ein Drittel der Fische aufgegessen. Den Rest ließ sein Vater abkühlen, und kurz vorm Zubettgehen steckte er sie in Tiefkühlbeutel.
In der Nacht sprach sein Vater wieder zu ihm. Roy sagte sich, Nur ein, zwei Monate noch, dann bin ich weg hier und komme nicht zurück, immer und immer wieder, während sein Vater wimmerte und weinte und Bekenntnisse vor sich hin murmelte. Ich habe deine Mutter betrogen, erzählte er Roy. In Ketchikan, als sie mit deiner Schwester schwanger war. Ich hatte, glaube ich, einfach das Gefühl, dass mir was wegbricht,meine ganze Perspektive, und Gloria blieb immer lange und kam in mein Büro und sah mich so an, und ich konnte einfach nicht anders. Gott, hatte ich ein schlechtes Gewissen. Mir war die ganze Zeit so elend. Aber ich habe weitergemacht. Und die Sache ist, selbst nachdem ich gesehen habe, was das alles anrichtet, was das alles kaputt macht, weiß ich nicht, ob ich es heute anders machen würde, wenn ich die Chance hätte. Die Sache ist, mit mir stimmt was nicht. Ich kann mich einfach nicht richtig benehmen und so sein, wie ich sein sollte. Da sträubt sich irgendwas in mir.
Er fragte Roy nichts, und Roy sagte nichts. Sein Vater redete, und Roy musste zuhören, und das war ihm zuwider, und er dachte an seine Mutter und wie sie und sein Vater sich in Ketchikan immer gestritten hatten, und er wusste nicht, wie er diese neue Situation einordnen sollte. Als sie ihm mitgeteilt hatten, sie würden sich scheiden lassen, hatten sie eine andere Geschichte erzählt, in der sie beide nichts dafür konnten, und als Roy gefragt hatte, ob er helfen könne, hatten sie gesagt, nein, das könne er nicht, so was komme nun mal vor.
Der Regen war beharrlich und ihr Zimmer klein und dunkel. Sein flüsternder, schniefender Vater, der diese komischen, beängstigenden Verzweiflungslaute von sich gab, lag nur eine gute Armeslänge entfernt, und nirgendwo sonst konnte man hin.
Am Morgen aßen sie kalte Flocken mit Milchpulver und machten kein Feuer im Ofen, weil sie Holz sparen mussten. Der Regen fiel weiter, wie am Vortag. Die durchweichten Fensterbänke wurden dunkel, und an den Wänden bildeten sich an mehreren Stellen Tropfen. Sein Vater begutachtete sie nacheinander mit der Taschenlampe und sagte nichts, sondernbetastete die Wand dort, wo sie an die Decke traf, blickte höher und fuhr mit dem Lichtkegel langsam jede Latte hoch und jeden Balken entlang.
Roy las ein Buch, eins aus der Mafia-Killer -Serie. Besonders interessierte ihn dabei die Frau, die der Mafia-Killer wie immer bekam, und er versuchte sich auszumalen, wie er selbst mit ihr schlief.
Okay, sagte sein Vater. Zeit für das Trockenrost, und nach den Grundschnüren kannst du auch mal sehen.
Roy sah zuerst nach den Schnüren, erleichtert, aus der Hütte zu kommen, weg von seinem Vater. Es regnete immer noch ziemlich heftig. Er war trocken in seinem Regenzeug, aber es war so feuchtkalt, dass es sich nass anfühlte, als wäre er völlig durchgeweicht. An den Schnüren vorne hing nichts, aber an der Landspitze ein toter Saibling, der schon bleich wurde. Roy fragte sich, ob er wohl noch gut war. Er nahm ihn mit ausgestreckten Armen aus, um nicht zu nah dran zu sein, wenn die Innereien verdorben waren und explodierten oder dergleichen, aber er sah in Ordnung aus. Er roch etwas strenger, aber nicht zu streng, und das Fleisch sah gut aus. Es war ein männlicher Fisch mit zwei länglichen Hodensäcken statt Rogen, darum ging er in der Hütte ein paar eingesalzene Rogen holen, band sie mit Mull an den Haken und legte die Schnur wieder aus.
Dann blickte er in den Wald und dachte, es wäre schön zu wichsen, das hatte er schon so lange nicht, aber irgendwie hatte er keine Energie, und alles war nass und kalt und er trug eine Million Lagen übereinander, also ging er einfach zur Hütte zurück.
Sein Vater war nicht da, Roy ging wieder zu den Hemlocks und fand seinen Vater schließlich oben in den Zedern.
Hi, sagte er.
Suche Pfosten für die Roste, sagte sein Vater. Versuche, mindestens zwei Meter
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