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Im Schatten des Vaters

Im Schatten des Vaters

Titel: Im Schatten des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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bildete sich sogar ein, den Ausleger erkennen zu können, aber das war eben nur Einbildung. Und dann verlor er sich wieder in Tagträumen, wie er vom Strand aus ihre Seenotfackel abschießen müsste, um das Boot auf sich aufmerksam zu machen, weil sein Vater von einem Bären zerfleischt und halb gefressen worden war, und dann biss ein Fisch an, und er zog ihn an Land, ließ ihn schnell, mit wackelndem Kopf übers Wasser hüpfen, denn es war nur ein kleiner Saibling. Er holte ihn zu sich auf den Felsen und hätte ihn normalerweise wieder reingeworfen, so klein war er, doch inzwischen brauchten sie alles, was sie kriegen konnten, darum zertrümmerte er ihm den Kopf und schlitzte ihn vom Arschloch bis zum Schlund auf, um zu sehen, ob er Eier hatte. Hatte er zum Glück, wenn auch sehr kleine und nicht sehr viele. Er schnitt sie heraus, ließ den Fisch und die Rute liegen und ging in Richtung Hütte, um die Grundschnüre auszulegen, aber dann hörte er den Flügelschlag und fuhr herum und rannte zurück, allerdings nicht schnell genug. Der Adler hatte den Fisch bereits in den Krallen und erhob sich mit seinen großen braunen Schwingen, bevor Roy ihn erreichen konnte. Er nahm einen Stein und schleuderte ihn nach dem Adler, damit er den Fisch fallen ließ, verfehlte ihn jedoch um Längen,und der Adler trudelte über die Bucht zu einem Baum auf der Landspitze und ließ sich nieder, saß da und beäugte Roy, während er den Fisch verspeiste.
    Roy wollte schon zur Flinte greifen, doch so wütend er war, so dringend sie etwas zu essen brauchten und so groß seine Angst davor war, was sein Vater zu dem Fischverlust sagen würde, wollte er nicht daran denken, einen Weißkopfseeadler zu erschießen.
    Er holte eine zusätzliche Spule und Haken aus der Hütte, um die Grundschnüre auszulegen.
    Was gefangen?, rief sein Vater von hinten.
    Ja, ich hab die Eier für die Schnüre, aber es war nur ein kleiner Fisch, und als ich mich umgedreht habe, hat der Adler ihn geschnappt.
    Scheiße.
    Ja.
    Na ja, fang noch einen.
    Das habe ich vor.
    Roy knüpfte das Angelblei an die Grundschnüre und warf sie von Hand aus. Er hoffte, das Wasser wäre tief genug. Er legte zwei gleich vor der Hütte aus und band sie an Wurzeln fest, dann ging er wieder zur Spitze, warf eine Schnur in die Mündung, wo er zuvor geangelt hatte, und spulte sie zurück bis zu einem Baum, um sie anzubinden. Der Adler saß immer noch hoch oben und beobachtete ihn.
    Dann nahm Roy seine Angel und ging weiter die Küste hinunter, über eine halbe Meile umständlich über Felsen und hin und wieder in den Wald hinauf, um zur nächsten kleinen Bucht zu gelangen. Als er hier auswarf, biss gleich etwas Größeres an. Es zog seitlich an der Schnur in Richtung Meer, und die Kurbel sirrte, bis Roy begriff, dass er die Spulenbremse zu locker eingestellt hatte; er drehte sie fester, der Fisch zogimmer noch, aber Roy konnte ihn jetzt problemlos einholen. Zweimal sprang er vor dem Strand kurz auf, zwei Drehungen in der Luft mit zurückgeworfenem Kopf, im Bemühen, sich loszureißen. Es war ein junger Rosa Lachs, ganz silbrig und frisch. Roy ging rückwärts mit erhobener Rutenspitze, um ihn glatt hochzuziehen, schnell zu sich an den steinigen Strand. Er hüpfte wild und spuckte den Haken aus, aber jetzt war er zu weit an Land, und Roy packte ihn rasch bei den Kiemen und warf ihn noch weiter den Strand hinauf, wo er japsend und mit wildem Blick liegen blieb, sich nach dreimaligem Schlag auf den Kopf zitternd und blutig aufbäumte und schließlich platt liegen blieb. Die Muskeln zuckten noch alle paar Sekunden, aber er war tot.
    Roy barg ihn unter einem kleinen Steinhügel, um ihn vom Adler fernzuhalten, und warf die Schnur wieder aus. Binnen weniger Stunden hatte er sechs Rosa Lachse und einen Saibling gefangen. Er fädelte sie auf eine mitgebrachte Nylonschnur, band Trageschlaufen an die Enden und wanderte langsam, mit gelegentlichen Verschnaufpausen zur Hütte zurück.
    Wie hübsch, sagte sein Vater, als er ihn kommen sah. Sehr hübsch.
    Ich bin in die nächste Bucht. Da fischt es sich viel besser.
    Das glaube ich, sagte sein Vater und nahm ihm den Strang Fische ab, um sie zu begutachten. Frische Rosas, sagte er. Und der Räucherofen wird auch allmählich, dann schneidest du die hier am besten in Streifen, wenn du sie gesäubert hast.
    Als Roy die Fische gesäubert und zum Räuchern in Streifen geschnitten hatte, wurde es spät. Er hatte alle Stücke gründlich gewaschen, sie im Eimer

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