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Im Schatten des Vaters

Im Schatten des Vaters

Titel: Im Schatten des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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sich, ob sein Vater auf Wild aus war.
    Sein Vater legte das Gewehr hin, stand auf, trat zu nah an den Rand des schmalen Kliffs und fiel hinunter. Beinahe sah es aus, als sei er gesprungen. Und dann traf er auf und prallte ab und schlug an Zweige und brach durchs Geäst und purzelte, und dann war er nicht mehr zu sehen, aber Roy hörte ihn, und unter seiner Schädeldecke flimmerte es heiß vor lauter Panik.
    Roy packte sein Gewehr und stand auf, aber es gab nichts, was er tun konnte. Sein Vater war bereits durch die Bäume und Büsche gestürzt, schon laut aufgeprallt, und es war vorbei und kein Laut zu hören von da unten. Das Blut rauschte ihm in den Ohren, und er fürchtete, auch noch zu fallen, alswürde sein Vater ihn hinabziehen, aber dann rief er nach seinem Vater und legte das Gewehr hin und rannte zurück ins Unterholz, dorthin, wo sie hergekommen waren. Er versuchte, sich schnell durchzuschlagen, aber das Gestrüpp war so dicht und so schneidend, und er hatte Angst, seinen Vater niemals zu finden, der dort einfach verschwinden würde und sterben.
    Er schrie weiter beim Laufen, aber es kam keine Antwort. Er schlitterte durch Brennnesseln, dass die Hände brannten, und fiel zwischen Hemlocktannen hinab, landete auf einer Ebene, stand auf, schlug sich weiter durch und suchte nach seinem Vater. Er erreichte in etwa die Stelle, wo er ihn vermutete, sah aber nichts. Er blickte hinauf, suchte zur Orientierung das Kliff, aber der Wald war undurchdringlich, er konnte nichts erkennen. Er weinte und drehte sich im Kreis und riss sich zusammen und blieb stehen und lauschte.
    Erst waren es nur der Wind und die Blätter, doch dann hörte er in der Nähe ein Stöhnen und bog das Gestrüpp wenige Meter vor sich auseinander, aber da war nichts. Er schlug sich weiter durch, ging wieder zurück und suchte alles ab. Er konnte das Stöhnen nicht mehr hören, und er fragte sich, ob er es sich vielleicht nur eingebildet hatte. Er fing wieder an zu weinen und konnte nicht anders und suchte weiter. Dann kam ihm die Idee, alles niederzutrampeln, um zu sehen, wo er bereits gewesen war, also stampfte er immer größere Kreise und trat das niedere Dickicht fest, fand aber immer noch nichts.
    Es war mindestens schon eine halbe Stunde vergangen, also kletterte er wieder hoch, um vom Kliff aus direkt nach unten zu sehen. Das war auch schwer zu finden, und als er es gefunden hatte, war er sich nicht sicher, ob es das richtige war, aber er suchte darunter und fand schließlich einen abgebrochenenAst. Von dort arbeitete er sich zu weiteren Ästen vor und zu einer niedergetrampelten Fläche mit Nesseln, Blumen und Moos. Wenige Meter davon fand er seinen Vater.
    Sein Vater war reglos und stumm. Er lag eingerollt auf der Seite, einen Arm nach hinten gebogen, und das Auge, das Roy sehen konnte, war geschlossen. Er ging langsam auf ihn zu, hockte sich neben ihn, beugte sich widerwillig hinab und horchte auf seinen Atem, und er meinte, tatsächlich etwas zu hören, konnte es aber nicht von seinem eigenen Atem unterscheiden und sagte sich, dass er vielleicht auch einfach nur was finden wollte. Aber dann beugte er sich näher heran, legte das Ohr an den Mund seines Vater und spürte und hörte dessen Atem, und er sagte, Dad, und dann schrie er, Dad, und versuchte, seinen Vater aufzuwecken. Er wollte ihn schütteln, wusste aber nicht, ob er sollte. Also saß er einfach da und versuchte, seinen Vater wachzureden.
    Du bist das Kliff runtergestürzt, sagte er. Du bist da runtergestürzt und hast dich verletzt, aber es geht dir gut. Und jetzt wach auf.
    Das Gesicht seines Vaters war geschwollen und lief bereits lila an mit roten Striemen. Seine Hand war von blutigen Schnitten gezeichnet.
    O Gott, sagte Roy und wünschte, er wüsste, was zu tun war, oder dass zumindest noch jemand bei ihm wäre, um zu helfen. Sein Vater wachte nicht auf, und schließlich fiel ihm nichts anderes ein, als ihn unter den Achseln zu packen und hügelab zur Hütte zu schleifen. Einen Weg gab es nicht, aber sie mussten über nichts mehr rüber, und soweit er sich erinnerte, gab es auch keine Kliffe mehr. Also zog er ihn durchs Unterholz, versuchte, nicht zu stolpern, stolperte aber und fiel ab und zu auf den Rücken, versuchte, seinen Vater nicht fallen zu lassen oder zu sehr zu rütteln, ließ ihn aber fallen,ließ seinen Kopf fallen, der im fedrigen Moos nickte und rollte, worauf sein Vater noch immer nicht aufwachte oder sprach, aber er atmete weiter. Und dann ging die Sonne

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