Im Schatten des Vaters
dass es wohl passieren würde. Inzwischen dachte er allerdings nur nach, um irgendwas zu tun, und wünschte, er wäre wieder in der warmen Hütte. Es war einfach zu kalt hier draußen. Es war ein trostloser Ort.
Als er zurückkehrte, war es immer noch zu früh, aber er ging nicht wieder hinaus. Er war lange genug draußen gewesen.
Ich weiß das, sagte sein Vater. Davon rede ich gar nicht. Roy ist jetzt übrigens hier. Er war draußen.
Rhodas Stimme war undeutlich, vom Funkgerät verzerrt. Jim, Roy ist nicht der Einzige, der mithört. Jeder Amateurfunker kann es hören.
Du hast recht, sagte sein Vater. Aber das ist mir egal. Es ist zu wichtig.
Was ist wichtig, Jim?
Dass wir uns unterhalten, dass wir das klären.
Und wie sollen wir das klären?
Ich will, dass wir zusammen sind.
Sie lauschten mindestens eine halbe Minute lang dem Knistern, bevor Rhoda antwortete.
Tut mir leid, wenn ich das vor Roy und allen anderen sagen muss, Jim, aber wir kommen nie wieder zusammen. Das haben wir schon versucht, sehr oft. Du musst mir schon zuhören, wenn ich etwas sage. Ich habe jemand anderen gefunden, Jim, und ich hoffe, wir werden heiraten. Das hat aber auch gar nichts mit ihm zu tun. Wir wären auch sonst nicht zusammen. Manchmal geht etwas zu Ende, und wir müssen es zu Ende gehen lassen.
Roy tat, als würde er lesen, während sein Vater über das Funkgerät gebeugt dasaß.
Scheißgerät, sagte sein Vater zu Rhoda. Wenn wir jetzt zusammen wären, in echt, von Angesicht zu Angesicht, wäre das anders. Und dann schaltete er das Funkgerät aus.
Roy sah hoch. Sein Vater kauerte da mit gesenktem Kopf und den Unterarmen auf den Knien. Er fing an, sich die Stirn zu reiben. So saß er eine ganze Zeit. Roy fiel nichts ein, was er hätte sagen können, also sagte er nichts. Aber er fragte sich, warum sie überhaupt hier waren, wenn alles, was seinem Vater etwas bedeutete, woanders war. Es wollte Roy nicht in den Kopf, dass sein Vater hierhergekommen war. Allmählich schien es ihm, als wäre ihm einfach keine bessere Art zu leben eingefallen. Also war das hier bloß eine einzige Notlösung, und auch Roy war Teil einer großen Verzweiflung, die überall dort lebte, wo sein Vater hinging.
Danach gab es keine guten Zeiten mehr. Sein Vater versank in sich, und Roy fühlte sich allein. Sein Vater las, wenn das Wetter mies war, und ging allein spazieren, wenn es bloß schlecht war. Sie redeten nur miteinander, wenn sie Dinge sagten wie, Vielleicht sollten wir bald mal Essen machen, oder, Hast du meine Handschuhe gesehen? Roy beobachtete seinen Vater die ganze Zeit und konnte keinen Riss im Panzer seiner Verzweiflung entdecken. Sein Vater war undurchdringlich geworden. Und dann kam Roy eines Tages von einem Spaziergang zurück, und sein Vater saß am Funkgerät mit einer Pistole in der Hand. Es war merkwürdig still, nichts als ein leises Summen und Fiepen aus dem Gerät.
Jim?, sagte Rhoda über Funk. Tu mir das nicht an, du Arschloch.
Sein Vater schaltete das Gerät aus und stand auf. Er sah Roy an, der in der Tür stand, und ließ den Blick durchs Zimmer schweifen, als wäre ihm irgendeine Kleinigkeit peinlich und als überlegte er, was er sagen sollte. Aber er sagte nichts.Er ging zu Roy, reichte ihm die Pistole, zog Mantel und Stiefel an und ging hinaus.
Roy sah ihm nach, bis er zwischen den Bäumen verschwunden war, und betrachtete dann die Pistole in seiner Hand. Der Hahn war gespannt, und er konnte die Kupferpatrone sehen. Langsam löste er den Hahn, richtete die Pistole weg vom Körper, dann spannte er ihn wieder, hielt sich den Lauf an den Kopf und drückte ab.
Zweiter Teil
J im hörte den Schuss in den Wäldern und wusste nichts damit anzufangen. Kurz fragte er sich, ob er ihn überhaupt gehört hatte, aber das hatte er wohl. Roy machte eine Szene. Er ballerte in der Hütte herum, weil er bemuttert werden wollte. Jim wanderte weiter. Er hoffte, Roy würde das Funkgerät treffen.
Es nieselte, und der Nebel kam sehr nah. Die Bäume waren zu Gespenstern geworden, die gesamte Insel schien unbewohnbar. Jim wanderte weiter, hörte seinen Atem, den einzigen Rhythmus, die einzige Regung. Er konnte nicht über Rhoda nachdenken. Sie war zu einem seiner Sinne geworden, zu einem Teil von ihm, den er nicht von sich abgrenzen, über den er nicht nachdenken konnte. Sie wucherte in ihm als Sehnsucht und Reue. Und sie machte es wahr, sie verließ ihn. Jim war erneut den Tränen nah, also ging er schneller und zählte rhythmisch seine
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