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Im Schatten des Vaters

Im Schatten des Vaters

Titel: Im Schatten des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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zerstört hatte. Verdammt noch mal, rief er laut und trat noch einmal nach dem Gerät. Da fing er wieder an zu weinen, schrie beinahe. Es konnte jederzeit losgehen, hatte einen eigenen Willen und erleichterte ihn überhaupt nicht, wie man es eigentlich von Weinen erwartete. Es war ein schreckliches Weinen, das nur schmerzte und alles immer unerträglicher erscheinen ließ, und obwohl es die Zeit vertrieb, schien es jedes Mal, als würde es vielleicht nie wieder aufhören. Das musste vermieden werden, also ging er, als er wieder einigermaßen sehen konnte, zum Boot, das sie hinter der Hütte vertäut hatten, holte die Pumpe und den Außenborder und die Schwimmwesten und trug alles an den Strandund trug auch das Boot dorthin, pumpte es auf und montierte den Motor und legte alles ins Boot. Dann holte er Roy.
    Roy saß noch immer komisch gekrümmt an der Wand, immer noch steif. Das halbe Gesicht war Jim zugewandt, aber die Haut war ganz gelb und bläulich wie aufgedunsener Fisch, und Jim übergab sich wieder und musste draußen herumlaufen und wäre am liebsten gar nicht mehr hineingegangen und sagte, Das ist mein Sohn da drinnen.
    Als er zurückkam, sah er Roy wieder an und wandte sich ab und fragte sich, wie er ihn transportieren sollte. Er konnte ihn nicht einfach so ins Boot werfen. Er dachte an Müllbeutel und fing wieder an zu weinen und zu rufen, Er ist doch kein Scheißmüll. Als er sich beruhigt hatte, legte er einen Schlafsack aus, rollte Roy darauf, zog den Reißverschluss zu und verschnürte ihn oben. Er schulterte Roy und trug ihn zum Boot.
    Okay, sagte er. So wird es gehen. Wir finden jemanden, und der wird uns helfen. Er ging zur Hütte zurück, um Essen und Wasser zu holen, erinnerte sich allerdings, als er dort ankam, nicht mehr, was er da wollte, machte einfach die Tür zu und ging zurück zum Boot.
    Er hatte das Boot zu weit vom Wasser entfernt aufgepumpt, also lud er Roy und die Gasflaschen wieder aus, zog das Boot ans Wasser und lud die Flaschen und Roy wieder ein. Als er sich schließlich abstieß, war es Nachmittag, nicht sehr klug, wie er nun erkannte, aber er zog das Startseil, drückte den Choke wieder rein, als der Motor anstotterte, legte den Gang ein, und dann fuhren sie los. Das Wasser war sehr ruhig in ihrer Bucht und der Himmel grau, die Luft schwer und feucht. Er versuchte zu gleiten, doch dafür waren sie zu beladen, also drosselte er auf fünf, sechs Knoten, als sie an der Landspitze vorbei waren. Jim zitterte ein wenig im Wind, sein Sohn war in den Schlafsack gehüllt.
    Jenseits der Landspitze waren sie einer kalten Brise ausgesetzt und kleinen Windwellen, die ins Boot spritzten.
    Das ist nicht so gut, sagte Jim zu seinem Sohn. Was wir hier gerade machen, ist nicht das Klügste. Aber er fuhr weiter und fragte sich bald, wo er hinfuhr. Ich weiß es nicht, sagte er laut. Vielleicht dorthin, wo diese Häuser sind. Aber das sind etwa zwanzig Meilen. Das ist nicht so nah. Uns müsste ein Boot finden.
    Und dann dachte er wieder an Roys Mutter, an ihr Gesicht, wenn sie hiervon erfuhr, an ihr Gesicht damals, als sie von allem anderen erfahren hatte, zum Beispiel, dass er mit Gloria geschlafen hatte. Nachdem sie umgezogen waren und sich zusammengerauft hatten und er einen ganzen Monat lang der gewesen war, den sie haben wollte, genau dreißig Tage lang rücksichtsvoll und liebevoll und möglichst ohne einen Gedanken an andere Frauen, kam sie glücklich und lächelnd zu ihm ins Bett, und er wollte bloß, dass sie ihn nie wieder anfasste. Er sagte ihr, er habe den vergangenen Monat nur gespielt, das sei nicht er gewesen, und ihr Gesicht damals, ihr Gesicht, als sie ihren Kindern erzählten, dass sie sich scheiden ließen, und jetzt das. Das hier war mit keiner anderen Sache zu vergleichen. Das hier ist nicht einfach eine Sache, sagte er laut, schluchzend, und dann sah er nicht mehr, wohin er steuerte, und sie kurvten kreuz und quer über den Kanal und schaukelten und wurden nass, bis er sich wieder im Griff hatte.
    Und Tracy. Sie würde ihn hassen. Ihr ganzes Leben lang. Zusammen mit ihrer Mutter. Und das zu Recht. Und was würde Rhoda sagen? Sie würde genau wissen, wer an allem schuld war.
    Das Boot schlingerte, und sie wurden von der Strömung seitwärts abgedrängt. Jim versuchte erneut zu gleiten, stattdessenaber ragte bloß der Bug in die Luft und kam nicht wieder runter, also drosselte er das Tempo. Alles war grau und kalt und vollkommen leer. Es gab keine anderen Boote, keine Häuser,

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