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Im Schatten des Vaters

Im Schatten des Vaters

Titel: Im Schatten des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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ihn nicht einmal. Sie war ihm lebendig erschienen, nun aber war sie nichts.
    Jim setzte sich wieder neben Roy und sah ihn an. Er war noch derselbe, ganz genau derselbe. Er hob die 44er Magnum auf, wo sie runtergefallen war, ein paar Schritte weiter. Er hielt sich den Lauf an den Kopf, nahm sie wieder herunter und lachte wild. Nicht mal umbringen kannst du dich, sagte er laut. Du kannst nur so tun, als ob. Du bist die nächsten fünfzig Jahre deines Lebens wach und wirst jede einzelne Minute daran denken. Das hast du davon.
    Und er weinte, ebenso sehr aus Selbstmitleid wie um Roy. Das wusste er, und er verachtete sich dafür, er schälte sich aus der nassen Kleidung, zog sich warme Sachen an und weinte diesmal stundenlang, ohne Unterbrechung, ohne Ende, und er fragte sich nur, ob es wohl jemals aufhören würde.
    Natürlich hörte es auf, am Abend, und Roy lag noch immer auf dem Boden, und Jim wusste nicht, was er mit ihm machen sollte. Er begriff jetzt, dass er irgendwas mit ihm machen musste, dass er ihn nicht einfach da auf dem Boden lassen konnte. Also ging er hinters Haus und holte eine Schaufel. Die Sonne war bereits untergegangen, es wurde dunkel, trotzdem ging er etwa dreißig Meter hinter die Hütte und fing an zu graben, bis ihm klar wurde, dass die Stelle zu nah am Plumpsklo war, also ging er weiter in den Wald in Richtung Landspitze und fing wieder an zu graben, aber da waren Wurzeln, also holte er eine Axt und hackte sich durch, bis die Grube gut einen Meter tief war und länger als Roys Körper. Roys Körper, bei diesem Gedanken musste er wieder weinen,und als er schließlich fertig war und zur Hütte zurückkehrte, war es mitten in der Nacht.
    Roy lag in der Tür und blockierte den Durchgang. Er hatte sich noch immer nicht bewegt. Jim kniete sich hin, um ihn hochzuheben, aber das, was von seinem Kopf übrig war, schlappte nass und kalt gegen Jims Gesicht, und Jim übergab sich und ließ ihn fallen und lief draußen im Kreis und sagte, Herrgott.
    Er ging hinein, hob Roy wieder auf und trug ihn diesmal schnell zum Grab, versuchte, Roy vorsichtig hineinzulegen, ließ ihn jedoch fallen und heulte auf, schlug sich selbst und sprang am Rand des Grabes auf und ab, weil er seinen Sohn fallengelassen hatte.
    Da wurde ihm klar, dass er das nicht machen konnte, dass er Roy hier nicht so einfach begraben konnte. Seine Mutter würde ihn sehen wollen. Und beim Gedanken daran, es ihr sagen zu müssen, bekam er den nächsten Koller, stolperte wieder durch den Wald und versank in Selbstmitleid. Als er zurückkam, wurde es heller, selbst durch die Bäume.
    Ich hab’s versaut, sagte er. Er hockte neben der Grube und wiegte sich. Diesmal hab ich’s echt versaut. Und dann erinnerte er sich wieder an Roys Mutter, Elizabeth. Er musste es ihr sagen. Er musste es ihr und allen anderen sagen, aber er konnte ihnen nicht alles sagen, das wusste er. Dass er ihm die Pistole gereicht hatte, würde er nicht sagen. Er schluchzte wieder hemmungslos, als durchzuckte ihn eine fremde Macht, und er wollte, dass es aufhörte, und wollte auch wieder nicht, dass es aufhörte, denn zumindest vertrieb es die Zeit, doch nach einer Weile, als es ganz hell war, hörte das Weinen abrupt auf, und da saß er wieder neben der Grube, sah auf Roy hinunter und fragte sich, was er machen sollte. Roys Mutter musste ihn sehen. Er konnte ihn nicht einfach hier draußenbegraben. Sie würde ihn bestatten wollen, und sie musste erfahren, was passiert war. Er musste es ihr sagen. Und Tracy.
    O Gott, sagte er. Er musste Tracy sagen, dass ihr großer Bruder tot war. Auch sie musste ihn sehen. Er fragte sich kurz, ob es nicht möglich war, Roys Gesicht wieder etwas zusammenzusetzen, erkannte aber gleich darauf, wie verrückt das war.
    Er zog Roy aus der Grube, lud ihn sich wieder auf und trug ihn in die Hütte zurück. Er war schwer und kalt und steif, jetzt seltsam gebogen von der Grube und voller Erde. Im Kopf war Erde. Er wollte nicht hinsehen, äugte aber immer wieder besorgt dorthin. Das sah alles nicht gut aus.
    Jim legte seinen Sohn wieder in die Hütte, ins große Zimmer, setzte sich an die gegenüberliegende Wand und betrachtete ihn. Er wusste nicht, was er machen sollte. Er wusste, dass er bald irgendetwas machen musste, aber er hatte keine Ahnung, was.
    Okay, sagte er schließlich. Ich muss es ihnen sagen. Ich muss seine Mutter benachrichtigen. Und er ging zum Funkgerät, sah, dass er es zerstört hatte, und erinnerte sich daran, dass er auch das VHF

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