Im Schatten des Vaters
fast rauchig. Es war windstill, fast vollkommen still, also stampfte Roy auf Felsen und Schnee, um seine Schritte zu hören. Dann wurde ihm kalt, und er ging langsam zurück.
Als er wieder reinkam, saß sein Vater auf dem Fußboden neben dem Funkgerät, das aber nicht mehr an war, und starrte auf den Boden.
Und?, fragte Roy, was er gleich bereute.
Sie ist mit einem Steve zusammen, sagte sein Vater. Sie ziehen zusammen.
Das tut mir leid.
Schon gut. Ist sowieso meine Schuld.
Wieso?
Ich habe gelogen und betrogen, ich war egoistisch und blind und dumm und war mir ihrer viel zu sicher und, mal schauen, da muss es noch mehr geben, wahrscheinlich war sie einfach enttäuscht, und jetzt kriege ich eins reingewürgt, und das habe ich mir selbst zuzuschreiben. Die Hauptsache ist aber, glaube ich, dass ich nicht für sie da war, als sie die ganze Sache mit ihren Eltern zu verkraften hatte. Das war mir wohl einfach irgendwie zu viel. Und wahrscheinlich habe ich sie damit im Stich gelassen. Ich meine, ich dachte halt, sie hat ja ihre Familie, die ihr hilft, weißt du.
Rhoda hatte ihre Eltern zehn Monate zuvor verloren, Mord und Selbstmord. Roy hatte nicht viel darüber gehört, nur, dass die Mutter ihren Mann mit einer Flinte und dann sich selbst mit einer Pistole erschossen und Rhoda hinterher erfahren hatte, dass ihre Mutter sie aus ihrem Testament gestrichen hatte. Roy verstand nicht recht, was es mit dem letzten Teil auf sich hatte, aber das gehörte alles zu einer Geschichte, die so schrecklich war, dass man lieber nicht darüber nachdachte.
Sie fand, dass ich sie damals im Stich gelassen habe, sagte sein Vater.
Vielleicht wird es ja wieder, sagte Roy, nur um etwas zu sagen.
Das hoffe ich, sagte sein Vater.
Am nächsten Tag kam ein gewaltiger Sturm auf. Es klang, als schwappte ein ganzer Fluss übers Dach und gegen die Wände und nicht bloß das Wasser, das der Wind gegen das Haus trieb, so heftig war es. Sie konnten nichts sehen durch die Fenster außer Regen und Hagel und gelegentlich Schnee, aus immer wechselnden Winkeln. Sie hielten den Ofen am Laufen, und sein Vater rannte ein paar Minuten hinaus, um Holzzu holen. Drei Mal kehrte er frierend und fluchend zurück und lud das Holz im Nebenzimmer ab, dann stellte er sich an den Ofen, um sich zu trocknen und aufzuwärmen.
Pfeift, als gäbe es kein Morgen, sagte sein Vater. Als könnte er die Zeit einfach aus dem Kalender fegen.
Manchmal bebte die ganze Hütte, und die Wände schienen sich zu bewegen.
Der kann nicht das Dach runterwehen, oder?, fragte Roy.
Nein, sagte sein Vater. Dein Dad würde keine Hütte mit abnehmbarem Dach kaufen.
Gut, sagte Roy.
Sein Vater probierte noch mal das Funkgerät aus, sagte, Ich mach’s kurz. Ich will ihr nur ein paar Dinge sagen. Du musst natürlich nicht rausgehen oder so.
Aber in dem Sturm empfing er kein Signal, und schließlich gab er es auf.
Das gehört so zu den Geschichten, die sie mir nicht glauben wird, sagte er. Ich habe versucht, sie anzurufen, aber der Sturm hat mich davon abgehalten. Unterm Strich bleibt, dass ich sie nicht erreicht habe, und der Sturm zählt nicht.
Vielleicht ist das gar nicht so, sagte Roy.
Was soll das heißen?
Weiß ich nicht.
Hör zu, sagte sein Vater. Der Mann ist nur ein Anhängsel der Frau. Die Frau ist vollständig und braucht den Mann nicht. Aber der Mann braucht sie. Also sagt sie, wo’s langgeht. Darum ergeben die Regeln auch keinen Sinn und ändern sich ständig. Die werden nicht von beiden Seiten gemeinsam festgelegt.
Ich weiß nicht, ob das stimmt, sagte Roy.
Weil du mit deiner Mutter und deiner Schwester aufgewachsen bist, ohne mich. Du bist so an weibliche Regeln gewöhnt,dass sie dir einleuchten. Das macht es dir in gewisser Hinsicht leicht, aber es bedeutet auch, dass dir manches vielleicht nicht auffällt.
Mir blieb ja gar nichts anderes übrig.
Siehst du? Das ist so eine. Ich habe versucht, etwas zu erklären, und du drehst es um und machst mir ein schlechtes Gewissen, weil ich meine Pflicht nicht erfüllt habe, wie es die Regeln vorschreiben, und kein guter Vater war.
Na ja, warst du ja vielleicht auch nicht. Roy fing an zu weinen und verfluchte sich dafür.
Siehst du?, sagte sein Vater. Du beherrschst nur die weibliche Argumentation. Heulst dir die Augen aus.
Herrgott, sagte Roy.
Egal, sagte sein Vater. Ich muss hier raus. Und wenn da draußen ein beschissener Orkan tobt. Ich gehe spazieren.
Während er sein Regenzeug anzog, saß Roy mit dem Gesicht
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