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Im Schatten des Vaters

Im Schatten des Vaters

Titel: Im Schatten des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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eine Fackel, strich das Ende mit der Kappe, und nichts passierte, also strich er noch einmal und sah, als er aufblickte, das Boot schnell an ihnen vorbeiziehen. Er nahm die letzte Fackel, strich das Ende an, sie zündete, er hielt sie hoch, das Boot schwenkte leicht in seine Richtung, und er war sich sicher, dass man ihn gesehen hatte. Dann schwenkte es wieder zurück, war wohl nur einem Stück Holz im Wasser ausgewichen, die Fackel erlosch, und das Boot war nur noch ein schwindender Fleck im Grau.
    Jim schrie, immer wieder, knurrte die Küste an und das Wasser und die Luft und den Himmel und alles und schleuderte die abgebrannte Fackel fort und saß da mit Blick auf den Schlafsack, der Roy umhüllte, und dann auf seine Händeauf den Knien. Das Boot schaukelte und trieb dahin, und das kalte Wasser schwappte ihm ins Kreuz und lief in die Hose.
    Jim fuhr weiter, und als er gerade eine kleine Landspitze umrundete, entdeckte er zufällig eine kleine Hütte, die bereits wieder hinter den Bäumen verschwand. Er kehrte um und fuhr zurück, die Hütte war doch größer, ein Privathaus, so schien es, ein Sommerhaus, er setzte das Boot auf einen kleinen Kieselstrand, ließ Roy zurück, ging hinauf und sah sich um.
    Das Haus verbarg sich hinter einem Fichtenwäldchen, er hatte Glück, es überhaupt entdeckt zu haben, auch wenn es nicht weit vom Strand entfernt stand. Als er dem Pfad dorthin folgte, sah er, dass es sich um eine Blockhütte handelte, allerdings groß genug, um darin zu wohnen, mit mehreren Räumen und Sturmfensterläden überall, winterfest verschlossen.
    Hallo, sagte er. Dann trat er auf die Veranda, die übersät war mit vom Sturm herbeigefegtem Schutt, und er wusste, es war keiner zu Hause. Hey, rief er, ich hab zufällig meinen toten Sohn dabei. Vielleicht können wir reinkommen und ein bisschen plaudern und zu Abend essen und über Nacht bleiben, was meinen Sie?
    Es kam keine Antwort. Er ging zurück zu Roy und dem Boot und versuchte nachzudenken. Es war schon spät, und eine andere Hütte hatte er nicht gesehen. Er fuhr schon mit Reservesprit. Der würde nicht mehr lange halten, er zitterte fortwährend und starb vor Hunger, ihm war schwindlig, und möglicherweise hatten sie im Haus etwas zu essen übrig. Und vielleicht ein Funkgerät. Sicher hatten sie so etwas wie eine Decke und einen Kamin und etwas Holz. Er hatte einen Schornstein gesehen. Und zum Glück hatte er sich letzte Nacht genügend aufgewärmt. Bei dem nassen Schlafsack warer sich nicht sicher gewesen, und ein zweites Mal würde es vielleicht nicht funktionieren, denn jetzt war er wesentlich schwächer. Er musste Roy abliefern, das wusste er, aber ehrlich gesagt sah der Junge ohnehin nicht so prächtig aus. Jim lachte grimmig. Du bist ein Kauz, sagte er laut. Du bist ein grottenschlechter Vater und ein Komiker obendrein.
    Warte hier, sagte er zu Roy und ging zur Hütte zurück und diesmal hinten herum. Er suchte nach einem Einstieg. Die Fenster waren sämtlich mit Läden versehen, die wahrscheinlich von innen verriegelt waren. Die Haustür hatte ein großes Vorhängeschloss und, wie sich herausstellte, ebenso die Hintertür. Er suchte alles ab, nichts war offen, es gab nicht mal eine Fensterscheibe, die man einschlagen konnte.
    Na gut, sagte er. Es war still bis auf einige Tropfen von den Bäumen. Und die Sonne ging bald unter. Er hatte keine Taschenlampe, kein Essen. Er ging weiter und fand den Holzschuppen. Die Tür hatte ein Schloss, sah aber recht morsch aus, also warf er einen kräftigen Stein dagegen, der die Tür knirschen ließ und zurückschnellte, dass Jim beiseite springen musste. Verdammt, sagte er. Er rannte zur Tür, warf sich dagegen, fiel hin, stand auf und versuchte es noch einmal. Inzwischen atmete er schwer. Er trat mit seinem Stiefel gegen die Tür und spürte jedes Mal, wie sie sich bog, aber sie gab nicht nach, also ging er zum Boot zurück.
    Dort wartete der aufgerichtete Schlafsack, und Jim stellte fest, dass er Roy einige Minuten lang vergessen hatte. Der Gedanke, dass er dazu fähig war, erschien ihm furchtbar traurig, aber dem gab er sich jetzt nicht hin. Er hatte vor Einbruch der Dunkelheit noch etwas zu erledigen. Er löste den Motor aus seiner Verankerung, stakste mit ihm zur Hütte hinauf und setzte ihn auf der Veranda ab. Das Ding wog mindestens zwanzig Kilo, alles Metall.
    Jim holte den Stein und kehrte zur Hütte zurück. Er hatte gehofft, im Schuppen eine Axt oder eine Säge oder so etwas zu finden, aber jetzt

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