Im Schatten des Vaters
sie beim Essen an.
Diese Familie sah nicht gut aus. Sie hatten eine papageienschnabelige Tochter und einen Sohn mit großen Ohren und eng aneinanderliegenden Augen und merkwürdig nach oben gekrümmtem Mund. Die Eltern waren auch keine Hingucker, der Mann ein stämmiger Strebertyp, und die Frau machte der Kamera zuliebe auf überrascht. Anscheinend fuhren sie überallhin in Urlaub. Kamele und Tropenfische und Big Ben. Jim mochte die Familie nicht und aß mit reinem Gewissen ihre Vorräte. Leckt mich doch, sagte er zu den Bildern, als er ihre Ravioli schlürfte. Allzu bald allerdings saß er im Licht der Lampe am Tisch und hatte keine Ablenkung mehr. Zeit, sagte er.
Er ging zum Boot zurück, obwohl es inzwischen dunkel war und sehr kalt, trug alle Sachen auf die Veranda, schleppte das Boot hinters Haus, ließ es dort liegen und schob seine Sachen durchs Fenster. Dann brachte er alles nach hinten zu Roy, der einfach immer noch im Schlafsack war, nichts tat, ganz unbeteiligt war, wie ein Pubertierender eben. Schön, sagte Jim zu Roy. Er ging zurück in die Küche und machte auf dem Fußboden sein Bett.
In der Nacht wachte er immer wieder mit der paranoiden Angst auf, etwas Fürchterliches sei passiert, erinnerte sich dann an Roy und weinte, und vor lauter Erschöpfung schlief er wieder ein. Er träumte nichts und sah nichts. Die Angst weckte ihn jedes Mal auf, Atemnot und Pulsrasen und das Gefühl, der Himmel stürze auf ihn nieder. Als er morgens, Stunden nach Sonnenaufgang, endlich aufstand, war das Gefühl noch nicht ganz verflogen.
Er schürte das Feuer im Ofen und wollte Wasser für Grießbrei kochen, aber aus dem Wasserhahn kam nichts. Okay, ihr Wichser, sagte er, ihr Papageien, wo ist der Haupthahn? Er suchte in der Küche und im Keller und ging um die Hütte herum und suchte nach Wasserhähnen, fand aber nichts. Er lief zum Schuppen, immer noch nichts, also suchte er zwei, drei Stunden lang den gesamten Hügel hinter dem Haus ab, Schritt für Schritt, und fand schließlich eine Leitung, die halb in der Erde vergraben und mit Rinde zugedeckt war. Auf Händen und Knien folgte er dieser Leitung, bis er den Hahn fand. Er drehte ihn auf, ging wieder hinein, und Wasser und Luft spuckten aus dem Wasserhahn.
Okay, sagte er, gib mir einen ordentlichen Strahl, und als folgten ihm die Dinge aufs Wort, hörte der Hahn auf zu spucken und entließ einen steten Strom klaren, kalten Wassers.
Er kochte Grießbrei, gab braunen Zucker hinein und setztesich hin, aber er brauchte wieder etwas zum Anschauen, und er hatte nichts. Er ging nach hinten, schleifte Roy in seinem Schlafsack her und versuchte ihn auf den anderen Küchenstuhl zu setzen, aber er ließ sich nicht richtig in Position bringen. Der blaue Schlafsack war inzwischen schrecklich mitgenommen, immer noch nass und oben ganz dunkel.
Okay, sagte er. Wenn du nicht ordentlich sitzen willst. Er durchsuchte die Schubladen nach Bindfaden und Schere, umwickelte Roy und band ihn an einen Sparren und ein Tischbein und einen Wandhaken, der für Töpfe oder dergleichen gedacht war, und da stand Roy in seinem Schlafsack, und Jim konnte sich zu Tisch setzen.
Dein Vater wird ganz schön schrullig, erzählte er Roy. Und daran bist du ja nicht ganz unbeteiligt. In Wahrheit allerdings, willst du die Wahrheit wissen? Also, in gewisser Weise geht es mir jetzt besser. Keine Ahnung, wieso.
Jim konzentrierte sich aufs Essen und spülte danach ab. Dann wischte er sich die Hände an seiner Jeans ab und wandte sich an Roy. Okay, großer Junge, sagte er, Zeit, in den Kühlraum zurückzukehren. Und er band Roy los, trug ihn zurück ins Schlafzimmer und fühlte sich auf einmal so verloren, dass er sich auf den nackten Holzboden legte und den Rest des Tages vor sich hin stöhnte ohne die allergeringste Ahnung, was er da tat oder warum. Das Zimmer war kalt und dämmerig und schien unendlich groß, und er ein winziger Flecken in seiner Mitte.
Abends, nach Einbruch der Dunkelheit, aß Jim allein. Ich habe keine Lust auf Gesellschaft, sagte er laut. Dann ging er im Wald spazieren.
Jim, Jim, Jim, sagte er laut, du musst was tun. Du kannst deinen Sohn nicht einfach im Schlafsack lassen, verschnürtund gekühlt im Schlafzimmer. Roy braucht ein Begräbnis. Er muss unter die Erde. Seine Mutter und seine Schwester müssen ihn sehen.
Er ging noch etwas weiter, ohne sich groß zu ducken, und wurde von vielen Zweigen zerkratzt, die Hand brannte von Brennnesseln. Es schien kein Mond und nichts,
Weitere Kostenlose Bücher