Im Schatten des Verraeters
stürzten sie
sich auf ihn.
Seine Faust prallte gegen das erste
Gesicht, dann traf ihn ein Stiefel am Schienbein. Er schrie auf und
begann das Gleichgewicht zu verlieren. Während er noch nach vorne
gebeugt dastand, wurde ihm ein Knie ins Gesicht gestoßen, und das
Kopfsteinpflaster kam auf ihn zu.
Verzweifelt rollte er zur Seite, das
Gesicht gegen die Schulter gepreßt, mit den Händen die
Genitalien schützend. Dann hallte flach ein Schuß übers
Wasser und danach ein zweiter. Es war, als ob alle Uhren der Welt auf
einmal stehengeblieben seien. Dimitris Freunde wichen zögernd
zurück, Lomax raffte sich schwerfällig auf.
Vater John Mikali stand ganz in der
Nähe, und neben ihm Kytros, den Revolver in einer Hand, den Daumen
der anderen im Gürtel verhakt. Er sah völlig gelassen und
beherrscht aus.
Lomax stand da, sein ganzer
Körper schmerzte, im Mund hatte er einen Geschmack nach Blut.
Kytros sagte ruhig: »Das Schiff wartet auf Sie, Captain
Lomax.«
Lomax drehte sich um und sah Alexias
an. Auf dem Gesicht des großen Mannes lag ein Ausdruck, bei dem
es sich möglicherweise um etwas wie Respekt handelte. Aber da war
noch mehr. Ein leicht verwirrtes Stirnrunzeln - so als ob er zum
erstenmal unsicher sei, sowohl was ihn selbst, als was die Situation
betraf.
Lomax holte tief Luft, um wieder klar denken zu
können, und drehte sich um. Er schob sich am Sergeant vorbei und
ging über den Pier zurück. Die Leute wichen schweigend rechts
und links zur Seite.
Irgendwo, in tausend Meilen
Entfernung, konnte er Papademos seine Leute anschreien hören, dann
ertönte das Rasseln der Ankerkette; in seinen Ohren war ein lautes
Dröhnen.
Katina war da, umfaßte ihn mit
einem Arm, und auch Yanni war neben ihm, mit vor Erregung bleichem
Gesicht. Sie führte ihn zu dem Jeep, der Junge öffnete die
Tür, und Lomax sackte auf dem Mitfahrersitz zusammen.
Katina setzte sich hinters Lenkrad
und beugte sich zu ihm hinüber, um ihm das Blut aus dem Gesicht zu
wischen. »Geht es?« fragte sie ruhig.
Er spürte, wie ihre Hand
zitterte, hielt sie für einen Augenblick fest und lächelte.
»Ein Glück, daß Kytros im richtigen Moment eintraf.
Ich werde allmählich ein bißchen zu alt für solche
Spielchen.«
Sie fuhr schnell ab. Die Leute wichen beiseite. Sie bog geschickt in die enge Seitenstraße ein.
»Wohin fährst du?« fragte er.
»Ins Hotel, Ihre Sachen
abholen. Hinterher bringe ich Sie zur Villa hinaus. Das würde
Oliver von mir erwarten.«
Sie fuhr auf den Platz hinaus und
hielt vor dem Hotel. Als sie aussteigen wollte, legte Lomax eine Hand
auf ihren Arm. »Nicht du - nur ich.« Er stieg aus und kam
auf die andere Seite des Wagens. »Ich brauche ein bißchen
Zeit, um mir das alles durch den Kopf gehen zu lassen.«
Sie sah ihn ernsthaft an. »Wie Sie wollen.«
»Willst du Yanni bei dir behalten?«
Sie nickte. »Ich glaube, es wäre besser.«
Er lächelte und strich mit den Fingern durch
die zerzausten Haare des Jungen. »Wir finden wieder einen Hund
für dich, Yanni.«
Er ging zwischen den Tischen durch,
und als er eben bei der Tür angelangt war, rief sie seinen Namen.
Als er sich umdrehte, sah er, daß sie eine Kette löste, die
um ihren Hals hing.
Sie warf sie ihm zu, flüssiges
Gold in der Sonne, er fing sie auf und umschloß sie mit der Hand.
Er wußte sofort, was es war.
»Ich gebe Ihnen Ihre Courage zurück«, sagte sie und fuhr schnell davon.
Er trat in das kühle Dunkel des
Hotels und bemerkte Annas erschrecktes Gesicht, als sie von der
Küchentür aus zu ihm herausspähte. Die Treppe nach oben
schien sich in alle Ewigkeit zu erstrecken.
Als er in seinem Zimmer angekommen
war, schloß er sorgfältig die Tür, lehnte sich mit dem
Rücken dagegen und starrte auf seine geballte Rechte, von der die
beiden Enden der Goldkette herabhingen. Nach einer Weile öffnete
er die Hand behutsam und blickte auf die kleine Bronzemünze, auf
der das Gesicht des Achill zu sehen war.
Das ist lange her, dachte er. Verdammt lange. Er
zündete sich eine Zigarette an, legte sich rücklings aufs
Bett und starrte mit blicklosen Augen in die Vergangenheit.
5. Schutz der Dunkelheit
Es war das Hämmern der
Maschinen, das Lomax mit einem Ruck wach werden ließ. Er blieb
ein paar Sekunden lang auf der Koje liegen und starrte zum Schott
hinauf; seine Stirn war leicht gerunzelt, während er sich zu
erinnern versuchte, wo er war.
Nach einer Weile
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