Im Schatten des Verraeters
bewußt, für wen sie waren. Ein Kloß
saß ihm in der Kehle und drohte ihn zu ersticken.
Er stand auf und ging blindlings durch das Halbdunkel zur Tür.
4. Der Bronze-Achilles
Draußen auf dem Platz war es
sehr heiß. Er blieb im Schatten des Portiko stehen und rauchte
eine Zigarette, während er auf sie wartete.
Einmal tauchte Anna in der Tür
des Hotels mit Eimer und Wischtuch auf, so als hätte sie vor, die
Tische draußen zu reinigen, aber als sie ihn sah, zog sie sich
eilig zurück.
Der Platz lag still und verlassen da,
die Schatten wurden mit dem vorrückenden Nachmittag länger.
Nichts rührte sich. Er stand da, die Zigarette brannte zwischen
seinen Fingern, und starrte düster vor sich hin. Es war, als ob er
darauf wartete, daß etwas geschehen würde.
Hinter ihm war ein leises Geräusch zu hören, und er drehte sich um. Katina blickte ernsthaft zu ihm auf.
Er lächelte sanft. »Ist das lange her!«
Plötzlich waren Tränen in
ihren Augen, und er legte einen Arm um ihre Schultern und drückte
sie an sich. Sie standen da eine kleine Weile im kühlen Schatten
des Portiko, dann seufzte sie und löste sich von ihm.
»Wir müssen gehen. Wenn Sie vorhaben, das Schiff noch zu erreichen, haben Sie keine Zeit mehr.«
Er folgte ihr bis zu den Stufen,
innerlich aufgewühlt. In diesem Augenblick kam Yanni aus der
Straße heraus, die vom Hafen her zur Stadt führte. Seine
Kleidung war zerrissen und staubbedeckt, sein Gesicht von Tränen
verschmiert, und er schluchzte hemmungslos. In seinen Armen hielt er
den kleinen schwarzen Hund.
Katina rannte bereits auf ihn zu, und
als Lomax sie eingeholt hatte, kniete sie vor dem Jungen. »Was
ist, Yanni? Was ist passiert?«
Er streckte die Arme mit dem Hund aus, dessen Kopf seitlich
herabbaumelte; sein Genick war offensichtlich gebrochen, an seinem Maul klebte Schaum.
»Es war Dimitri«, sagte Yanni. »Dimitri hat ihn getötet.«
»Aber warum?« fragte Katina.
»Weil ich Mr. Lomax geholfen habe«, schluchzte Yanni. »Weil ich Mr. Lomax geholfen habe.«
Die Wut, die in Lomax förmlich
explodierte, war wie eine auflodernde Flamme, die ihn völlig
einzuhüllen schien. Er wollte davonstürmen, und Katina sagte:
»Hugh!«
Als er sich umdrehte, war ihr Gesicht sehr bleich, die Augen so dunkel, daß sie unergründlich wirkten.
»Seien Sie vorsichtig«,
sagte sie. »Er hat wegen Totschlags bereits zwei Jahre lang im
Gefängnis gesessen. Wenn er Haschisch geraucht hat, weiß er
nicht, was er tut.«
Er drehte sich wieder um und
überquerte schnell den Platz. Als er die Straße erreicht
hatte, begann er zu rennen. Am Hafen unten war er bereits von
Schweiß durchnäßt, und die Leute starrten ihn
neugierig an.
Diesmal konnte er keine Musik
hören, als er ohne innezuhalten die Stufen zum ›Kleinen
Schiff‹ hinabeilte. Unmittelbar hinter der Tür blieb er
stehen.
Es saßen ungefähr ein
Dutzend Leute da und tranken; keiner der Männer war bei seinem
vorherigen Besuch dagewesen. Der Mann hinter der Bar gehörte zu
denen, die ihn für Alexias auf dem Tisch festgehalten hatten. Er
war eben im Begriff, Wein einzuschenken, und sein Unterkiefer sank vor
Erstaunen schlaff herab.
Alle Gesichter wandten sich Lomax zu.
Sein Blick glitt flüchtig über sie weg, dann ging er zur Bar.
»Wo ist Dimitri?«
Der Barmann zuckte die Schultern. »Warum fragen Sie da mich? Ich bin nicht sein Hüter.«
Er nahm ein Glas und begann es mit einem schmutzigen Tuch
zu polieren. Lomax drehte sich langsam um und ging quer durch den Raum.
Dimitris Bouzouki lehnte noch immer
neben dem Stuhl, da wo er sie hingestellt hatte. Lomax packte und
zerschmetterte sie mit einer einzigen heftigen Bewegung an der Wand.
Er drehte sich zu den anderen um, von
denen sich keiner rührte. »Ich habe gefragt, wo Dimitri
ist«, sagte er ruhig.
Ein paar Sekunden lang saßen
sie alle da und starrten ihn schweigend an, dann sagte ein alter Mann
mit weißem Haar und nikotinverfärbtem Schnurrbart: »Er
ist auf dem Pier, um zuzusehen, wie Sie abfahren.«
Lomax drehte sich um und ging die
Stufen hinauf zurück in die Hitze. Er eilte über die
Straße hinüber und ging den Kai entlang.
Der Dampfer war im Begriff
abzufahren, und er konnte Papademos sehen, der sich oben auf der
Brücke aus einem offenen Fenster lehnte und den Matrosen, die die
Vertäuungsseile zu lösen begannen, Befehle zurief.
Rund zwei Dutzend Leute
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